Feldkirch (VN-ag) Während im KUB
seine großartige Ausstellung eröffnet wurde, musste sich der
schottische Künstler Douglas Gordon (geboren 1966) in Feldkirch
einer Rückenoperation unterziehen. Eine knappe Woche später hat er
sich bereits das Video von der Operation angeschaut, denkt schon
wieder an Fußball und stellt sich für ein Interview zur Verfügung.
Wien kennt Douglas Gordon noch aus Interrail-Zeiten.
Dass seine erste Einzelausstellung in Österreich in Bregenz
stattfindet, hat mehrere Gründe. Zum einen hat Gordon bereits mit
Eckhard Schneider in Hannover gearbeitet, zum zweiten erzählte ihm
Künstlerkollege Ross Sinclair begeistert vom KUB. Gordon: "Und da
war natürlich noch die Architektur, dieses unglaubliche Haus von
Zumthor, sodass die Entscheidung letztlich nur eine Frage des
Termins war."
"VN": Wie war die erste Begegnung mit Bregenz und dem
KUB?
Gordon: "Als ich im Oktober erstmals nach Bregenz
kam, hatte ich schon einige Ideen, wie die Druckmaschine und der
Film mit dem Nebel. Ich wusste zwar, dass Bregenz am Bodensee liegt,
war mir aber nicht bewusst, dass es so nebelig ist. Als ich also aus
dem Zug stieg, schien es wie ein Witz zu sein. Ich dachte, das
Kunsthaus hätte sich in Unkosten gestürzt und extra Nebel für mich
produziert" (lacht). Das Kunsthaus kannte ich von Fotos, aber auf
die Erfahrung eines transparenten Gebäudes, das im Inneren völlig
abgeschlossen ist, kannst du dich nicht vorbereiten. Ich wollte
dieses kleine Spiel, das der Architekt begonnen hat, im mittleren
Geschoß noch weiterführen, als eine Metapher, wo man hineinkommt und
von der Architektur gar nichts sieht - das hat mir schon Spaß
gemacht."
"VN": Im KUB arbeiten Sie nicht mit filmischem "found
footage", sondern mit einer literarischen Vorlage. Wie verhalten
sich Text und Bild zueinander?
Gordon: Das der Installation zugrunde liegende Buch
von James Hogg ist visuell so stark präsent, dass es für mich
eigentlich auch "found footage" ist. Ansonsten besteht kein so
großer Unterschied für mich, auch wenn das Erlebnis eines Filmes und
das Lesen eines Buches natürlich sehr verschiedene Erfahrungen sind.
Für unsere Generation galt: lies das Buch, schau den Film, und schau
den Film, lies das Buch. Diese Übersetzung zwischen Wort und Bild
war für mich immer etwas Selbstverständliches.
"VN": Gilt "lies das Buch, schau den Film" auch für
die Ausstellung?
Gordon: Absolut, es ist sogar noch extremer. Man
sieht, wie das Buch gedruckt wird, man liest, man hört die Worte als
Extrakte aus dem Buch. Du schaust, du hörst, und fängst wieder an zu
schauen. Das Gebäude gibt diese Hierarchie von geschriebenem,
gesprochenem Wort und visuellen Elementen vor. Du kommst aus den
dunklen Räumen, quasi Fegefeuer und Hölle, ins Licht hinauf, der
Film ist fast wie eine Befreiung. Du kommst in den hellen, schönen
Teil, und plötzlich fällt dir ein, dass du wieder zurück musst . . .
"VN": Wobei der Film auch sehr zwiespältig wirkt. War
es notwendig, die Wahrnehmung in den drei Geschoßen aufzusplittern?
Gordon: Das war vielleicht nicht eine
Notwendigkeit, die ich verlangt habe, aber eine Notwendigkeit, die
die Architektur verlangt hat. Das ist der Punkt, wo die Installation
stark von der Architektur beeinflusst ist. Dass man es mit drei fast
identischen Räumen zu tun hat, gibt dem Künstler die Möglichkeit,
Unterschiede zu setzen.
"VN": Würden Sie das Buch von James Hogg als modern
bezeichnen?
Gordon: Ja, ich denke schon. Ich habe sogar schon
versucht, an einem Screenplay zu arbeiten, um die Geschichte in
einen zeitgenössischen Film umzusetzen, was sich meiner Meinung nach
sehr gut realisieren ließe.
"VN": Sind das Pläne für die Zukunft?
Gordon: Einen Film könnte ich mir schon vorstellen
¼
"VN": Aber keinen der 24 Stunden dauert, oder?
Gordon: Nein, keinesfalls (lacht). Das waren die
alten Zeiten.
"VN": Aber mit "24 Hour Psycho" sind sie
international bekannt geworden, auch wenn Sie sich gegen die
Bezeichnung Video-Künstler wehren. Wieso eigentlich?
Gordon: Man sollte als Künstler nicht in eine Ecke
hineinarbeiten, sondern versuchen, aus dieser Ecke herauszukommen.
Das macht mehr Sinn für mich und es reicht, ein Künstler zu sein.
Man muss kein . . . -Künstler sein, das wäre zu viel. Für mich ist
wichtiger, ein möglichst breites Vokabular zu haben, damit man
verschiedene Sprachen sprechen kann. Es genügt mir nicht, die ganze
Zeit in der Kunst "gefangen" zu sein, auch die Schriftsteller, die
ich mag, tun noch andere Dinge, und sogar Fußballspieler haben noch
andere Interessen.
"VN": Mit Ihren Arbeiten stellen Sie nur das
Spielbrett auf und liefern die Steine . . .
Gordon: Das war mir immer sehr wichtig. Du stellst
die Steine auf dem Spielfeld zur Verfügung, aber es ist nicht
notwendig, auch die Regeln zu bestimmen. Das kann natürlich manchmal
auch frustrierend sein, aber ich denke, wenn ich genug Spielsteine
anbiete und es interessant genug ist, dann kommt jemand mehr als nur
einmal und kann damit umgehen.
Die Ausstellung von Douglas Gordon ist im Kunsthaus Bregenz bis
zum 1.April geöffnet, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Donnerstag 10
bis 21 Uhr.