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Ausstellungen 
   
   
  65  Linz: Work@Culture. BÜRO. Inszenierung von Arbeit  Matthias Dusini  
   
   
Kultur als Kompetenz. Kommunikation, Technologie und Beschäftigung.
EU-Symposium (Design Center)

»Heute mache ich die Graphik für das Kunstmuseum fertig. Am abend veranstalte ich ein Rave. Und morgen muß ich mich um die Homepage einer Computerfirma
kümmern.« So lautet die Selbstauskunft eines Vertreters der »Postbürogeneration« in einem Ausstellungsvideo. Im selben Maße, in dem sich Arbeit immer mehr über die Bedürfnisse der Symbolindustrie definiert, brechen die Biografien der BüroarbeiterInnen in flexible Module auseinander. Heute System-Administrator, morgen Dj.
Der Raum ist abgedunkelt für die multimediale Installation »Patch-Work/Patch-Life«, die die Grundthese der Ausstellung veranschaulichen soll: Büroarbeit hat sich von den vertrauten Raumtypen – vom Architektur- bis zum Großraumbüro – gelöst und sich in virtuelle Räume hinein verflüchtigt. Anhand der Geschichte moderner Kommunikationsmittel wird auf den engen Zusammenhang von Arbeit und der Verkleinerung der Welt durch Telefon, Fax und E-Mail hingewiesen. Hinter welchen Wänden sich diese Gegenstände befinden, bleibt den Designansprüchen der Unternehmenskultur überlassen. Und die haben sich immer mehr verfeinert in einer Zeit, in der die Industriehalle als Arbeitsplatz an Bedeutung verloren hat und der Dienstleistungort Büro zum Umschlagplatz immaterieller Güter geworden ist. In einer Guckkastenbühne drehen sich die überholten Modelle moderner Zeiteinteilung, wo »man« morgens zur Arbeit ging, den Bleistift spitzte, und »frau« am Abend mit Bier und Pantoffeln signalisierte, daß die Freizeit begonnen hat. Eine Schiene der Ausstellung verweist auf die diskriminierende Rückseite der alten Identitätsbühne Büro. So zeigen
amerikanische Firmenvideos die werbewirksame Integration von schwarzen Angestellten in den Büroalltag der siebziger Jahre, steht die stets freundliche Sekräterin der fünfziger Jahre für die sexistische Arbeitshierarchie.
Wie sich diese Themenkomplexe aus der Anordnung des umfangreichen Materials erschließen sollen, wird in der Ausstellung nicht sehr deutlich. Der Versuch, eigens für die Ausstellung eine Art Büroarchitektur zu entwerfen, war der didaktischen Aufbereitung des Thema eher abträglich. Alles andere als suggestiv bohrt sich die Einrichtung des Wiener Architekturbüros PKK–2 durch die historischen Räume des Landesmuseums. (19. Juni bis 4. Oktober 1998)
Vom luziden Geist postmoderner Unternehmenskultur erfüllt gibt sich das neue Design Center in Linz, der Veranstaltungort des dreitätigen EU-Symposions »Kultur als Kompetenz«. Durch die verglaste Stahlgerüstkonstruktion strömt Tageslicht. Auf drei verdunkelte Tagungsboxen waren die Arbeitsgruppen, Referate und Diskussionen der Veranstaltung verteilt. Veranstalter waren das Bundeskanzleramt, die Österreichische Kulturdokumentation und das Linter Archimedia-Institut im Rahmen der EU-Präsidentschaft. So stand dann auch die Frage im Vordergrund, welche Bedeutung dem kulturellen Sektor auf dem europäischen Arbeitsmarkt zukommt.
Kulturkompetenz heißt, so der durchgängige Tenor, Arbeitsmarkttauglichkeit unter den durch digitale Medien veränderten Produktions- und Distributionsbedingungen. Die zum Cybershop mutierende Buchhandlung stand dabei ebenso auf der Tagesordung wie die umstrittene Preisbindung des Buchmarktes. Wie stellen sich Independent Label-BetreiberInnen auf die neuen KonsumentInnenprofile im Internet ein? Wie stark verändert das Internet die traditionellen Muster kreativer AutorInnenschaft und die rechtlichen Grundlagen des Copyright? Ein Beitrag belegte mit Beschäftigungszahlen den eminenten Bedeutungszuwachs des Kultursektors für die britische Wirtschaft.
Allein im engeren Bereich der Kulturproduktion sind mehr Leute beschäftigt als in der britischen Autoindustrie. Die Frage nach den Zugangsmöglichkeiten und
Monopolisierungstendenzen im Internet stellte eine weitere Arbeitsgruppe, die die Forderungen der »Practice to Policy«-Konferenz in Amsterdam im Oktober 1997
weiterdiskutierte. Allein die Tatsache, daß unabhängige Mediengruppen wie das Syndicate Network oder das Digital Media Lab aus Ljubljana eingeladen wurden, beweist,
wie groß der Lernbedarf offizieller europäischer Kulturpolitik zu sein scheint. (1. bis 3. Oktober 1998)

Zur Ausstellung erschien ein Katalog: Herbert Lachmayer, Eleonora Louis (Hrsg.): Work@Culture. BÜRO. Inszenierung von Arbeit. Klagenfurt 1998.
Das Symposion wurde vom Institut für neue Kulturtechnologien »Public Netbase« (t0.or.at) auszugsweise dokumentiert und kommentiert und ist im Internet. abrufbar.
 
     

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