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Illustration

Ich lenke, also bin ich

(cai) Paul Etienne Cadillac, Pardon: Lincoln. Der benzinrünstige Name trügt freilich. Denn besagter Lincoln hat in der Zwischenölkrisenzeit, also zwischen den beiden Ölkrisen, ein benzinfreies Auto gebastelt. Gut, "benzinfrei", das trifft auf eine Seifenkiste auch zu, aber dieses alternative Vehikel kann auf steilen Strecken jedenfalls nicht nur nach unten fahren. Sein Konstrukteur und heroischer Testpilot hat dafür eine Familienkutsche ausgeweidet und dann um ihren – adaptierten – Motor herum einen Single-Rennwagen gebaut: den "Panhard Special".

Bei der Tür der Galerie Winter ist der Prototyp anscheinend auf dieselbe Weise hereingekommen, wie sich ein Quietschentchen durch den Abfluss ver tschüssen tät’: Mit einem verwegenen "Die Naturgesetze können mich mal am Bürzel (bzw. am Auspuff) lecken"-Stunt. (Das Schiff-in-der-Flasche-Phänomen.) Pilot und Bolide, die waren ja immer schon eine verschworene Gemeinschaft, doch hier wird der Fahrer gar fast zum Cyborg, trägt einen Mensch-Auto-Symbiose-Anzug. Nein, der Schlauch, der irgendwo beim Bauch angesteckt wird und die Beziehung zum Wagen so besonders intim macht, ist kein künstlicher Darmausgang. Er leitet auch keine Verdauungsgase zum Motor, denn der Special wird nicht mit "Windenergie" betrieben ("Wer sein Auto liebt, der schiebt . . . sich vorher Bohnensuppe rein"), sondern mit Lachgas, Flüssigpropangas und Leinsamenöl.

Es handelt sich vielmehr um die Klimaanlage. Der "atmende" Motor erwärmt die "mitfühlende" Fahrerweste. Und am Rücken werden Pölster aufgeblasen. Direkt proportional zur Fahrtgeschwindigkeit. Ein Film zeigt dann, was das Auto draufhat, nämlich einen Affenzahn, wenn es an seinem 30sten Geburtstag im Jahr 2006 nostalgische Runden auf dem Dach der einstigen Lingotto-Autofabrik in Turin dreht. Der Special wird die Welt nicht vor dem Klimawandel retten, aber das Wunder des Lebens erklärt er allemal. Na ja, zumindest die Sache mit dem Mann und dem Auto.

Galerie Hubert Winter
(Breite Gasse 17)
Paul Etienne Lincoln
Bis 7. Dezember
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 14 Uhr
Wrummm! Wrummm!

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Rechenbeispiele

(cai) 16 Kugeln auf einer grünen Fläche: Was ist das? Pool-Billard natürlich. Aber eine Kugel, vier Quader, ein Zylinder und ein paar Stangerln, die garantiert keine Queues sind, in einem keimfreien Raum (und davon gibt es noch mindestens 475 weitere Räume, die spärlich mit Objekten der elementaren Geometrie eingerichtet sind), das ist höchst surreal. (Oder der Name des Innenarchitekten ist Euklid.) Ben Willikens, ein Häuslbauer im Kopf, nimmt sich jedes Zimmer seines makellos konstruierten Fantasiegebäudes einzeln mit dem Pinsel vor. Jeden Schatten, jede Spiegelung rechnet er genau aus. Pure Architekturvisionen in wohltemperiertem Grau. Keine Steckdosen, keine Lichtschalter. Nicht einmal Türschnallen (dafür müssten ja Türen da sein). Die Illusion ist so perfekt, dass da und dort ein vorgetäuschter Quader oder Zylinder leibhaftig in die reale Realität hereinragt. Befriedigend wie eine Division ohne Rest.

Galerie Michitsch
(Opernring 7)
Ben Willikens
Bis 24. November
Mo. bis Fr. 10 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Fehlerfrei.

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Alles Palette

(cai) Die Häuserwände sind schroff und unruhig, als wären es Klippen. Da kann der Blick nach Lust und Laune herumkraxeln. Ob Landschaft oder Altstadt, Tibet, die Wüste oder San Remo, bei Elisabeth Olivier hat alles eine wildromantische, organisch gewachsene Struktur. Die Zeichnung kooperiert mit der gar nicht schüchternen Buntheit. Farblich ist diese Welt ohnedies in Ordnung. Mit der Palette alles paletti. Und solang die Bilder auf Gesichter verzichten, ist eh alles in Butter. Leider widersteht Olivier der Physiognomie nicht standhaft genug.

Galerie Artefakt
(Strauchgasse 2)
Elisabeth Olivier
Bis 1. Dezember
Mo. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Pittoresk.

Mittwoch, 21. November 2007


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