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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
09. April 2006
19:56 MESZ
Von Anne Katrin Feßler 
Foto: Archiv
"Yard 1961" (Gebrauchte Autoreifen) im Hinterhof der Martha Jackson Gallery, New York.

Allan Kaprow 1927-2006: Erfinder des "Happenings" gestorben
Der "Un-Artist" starb friedlich in Kalifornien, während in Europa zwei Häuser für 2007 eine große Retrospektive des Aktionskünstlers vorbereiten

San Diego - Seine Eis-Skulptur vor der Art Basel 2005 war recht schnell geschmolzen - ganz im Sinne des Künstlers: Allan Kaprow. Vieles von dem, was heute in Museen bewahrt und restauriert wird, hätte Kaprow wahrscheinlich nicht des Aufhebens für würdig befunden. Ein Museum solle kein "Kunstfriedhof" sein, forderte er, sondern vielmehr eine "agency of action".

Es wundert daher nicht, dass der "Vater des Happenings" auch seine eigene Aktionskunst nur spärlich dokumentieren ließ. Anders etwa als bei Pop und Minimal Art sind die Happenings nur durch wenige dokumentarische Fotografien, Filmmaterial oder etwa Beschreibungen für die Nachwelt festgehalten.

Das Happening ist, ebenso wie andere frühe Aktionskunst, ein Problemkind der Kunsthistoriker und Archivare, die die wenigen Übrigbleibsel mühevoll zusammentragen. Die Erben des Happenings aber leben weiter: Als Performance in etablierten Häusern oder als "Intervention im öffentlichen Raum".

"Geboren" wurde das Happening 1959 in der New Yorker Reuben Gallery. Der damals 32-jährige Kaprow inszenierte dort 18 Happenings in 6 parts. In einem durch Vorhänge in Kojen getrennten Raum agierten nach einen streng vorgegebenen Ablauf sechs Menschen aus dem Publikum. Währenddessen bemalten zwei andere "emerging artists" jener Zeit - Jasper Johns und Robert Rauschenberg - gleichzeitig eine Leinwand. Die Zuschauer waren irritiert - und das "Happening", wie Kaprow lapidar zur Erklärung des Geschehens beitrug, "erfunden". In späteren Happenings verließ er die Galerieräume, suchte Hinterhöfe, wo im Kollektiv auf Autoreifen geklettert wurde, oder Industrieareale auf.

Die Künstlerkarriere des 1927 in Atlanta geborenen Kaprow hatte allerdings recht "klassisch" begonnen. Als er sein Kunststudium an der New Yorker Columbia University Anfang der 1950er abschloss, zählte er zu den Malern des von Jackson Pollock maßgeblich geprägten abstrakten Expressionismus. Erst die Begegnung mit John Cage, bei dem er von 1956 bis 1968 Komposition studierte, war für ihn so inspirierend, dass er nach und nach die konventionellen Formen der Malerei überwand. Über Action-Collage und die künstlerische Form des Environments kam er schließlich zur Fluxus-Bewegung. Bei den gemeinsamen Aktionen begannen nach und nach auch die Grenzen zwischen Künstler und Publikum zu verwischen.

Ihm, dem "Un-Artist", der nicht viel von Objekten hielt und dem - vielleicht genau deshalb - wenige Einzelausstellungen beschieden waren, will das Münchner Haus der Kunst und das Van-Abbe-Museum in Eindhoven 2007 eine große Personale widmen. Nun wird es wohl die erste große posthume Schau, denn Allan Kaprow starb, wie jetzt bekannt wurde, am vergangenen Mittwoch 78-jährig friedlich in Kalifornien. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.04.2006)


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