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17.07.2002 - Ausstellung
Das Tafelbild im Spiegel der Gegenwart: "Mal' mir den Fritzelack"
Für die Sammlung Essl bat Kuratorin Zdenka Badovinac sieben Künstler, sich in den Sammlungsbeständen zu bedienen und die Malerei heute zu befragen. "(un)gemalt" heißt diese Untersuchung.
VON STEFAN MUSIL


Anonymous, Irwin, Johanna Kandl, Valery Koshlyakov, Olaf Nicolai, Michelangelo Pistoletto, Eliezer Sonnenschein - dies die Liste an Künstlern, die in der Sammlung Essl in Klosterneuburg auf Anregung von Zdenka Badovinac aktiv wurden.

Die Kollektion des Sammlerehepaares Essl diente als Ausgangspunkt. Es durfte in die Bestände gegriffen werden. Doch halt, es gab thematische Vorgaben: Eine Kommunikation mit den Essl-Bildern sollte entstehen - und die Frage nach dem Zustand, nach der Möglichkeit von Malerei gestellt werden.

Auch ein Schuh von Warhol

Wie zu erwarten: Die Ergebnisse fielen unterschiedlich aus. Spiegelnd natürlich bei Michelangelo Pistoletto, der die vier Wände in seiner Koje mit Bildern behängte und ihnen Spiegelwände gegenüberstellte, auf denen er "Malerisches", etwa Farbtöpfe, den Maler mit dem Pinsel in der Hand und dem Rücken zum Betrachter, applizierte. Also spiegelt sich die Kunst, die ja auch die Zeit spiegelt, in der sie entstand, im Spiegel der Gegenwart - und bezieht noch den Betrachter als Spiegelbild mit ein. Bilder von Stella und Richter und zwei Tafeln von Arnulf Rainer kommen so zwischen den Zeitschichten und dem Betrachter zur Geltung.

Weit profaner agiert hier "Anonymous", eine New Yorker Künstlergruppe, die drei Werke aus der Sammlung, einen Lucio Fontana und je ein Bild von Hans Hartung und Pierre Soulages, zum Triptychon erweitert. Kopie heißt das Instrument dafür. Einmal hängt das Werk in gleicher Größe abgemalt, dann verkleinert auf weißem Grund gemalt neben dem Original. Anonyme Kopien also - oder gar Repliken, ein Rückgriff jedenfalls auf frühere Gebräuchlichkeiten, was die Anonymität derer, die sie ausgeführt haben, noch unterstreicht.

Großen Spaß im Reagieren auf das Ausgewählte scheint der russische Klebeband-Maler Valery Koshlyakov gehabt zu haben. So legt er einem goldenen Schuh von Andy Warhol eine ganze Skyline aus Pappkarton und Klebestreifen zu Füßen und der "Venus von Milo" von Jim Dine pickt er einen großen Tempel in den Rücken.

Ein besonderes Verhältnis zur Farbe hat Johanna Kandl: Knallbunt liegt hier in einem ihrer Bilder die bekannte Nachkriegswerbefigur, der "Fritzelack"-Lehrling, vor seinen umgeworfenen Lacktiegeln. Ein Text erhellt die Situation. Die Eltern Kandls hatten eine Farbenhandlung in Wien Floridsdorf. Der Boom der Baumärkte wurde zur Bedrohung, bis "unser Farbengeschäft dann auch den Fritzelack gemacht hat", schreibt Kandl. Sie zog die Konsequenzen: "Den ökonomischen Verhältnissen angepaßt, verkaufe ich Farbe nur noch als weiter verarbeitetes Produkt" und "mein Verhältnis zum Baumarktbesitzer Essl ist nicht ungetrübt".

Geholfen hat dann doch noch ein Ankauf einiger ihrer Bilder durch das Sammlerehepaar, denn "danach ging ich zum ersten Mal in einen Baumarkt und kaufte eine Holzplatte". Konsequent und versöhnlich, daß Kandl also neben den einen Fritzelack reißenden "Fritzelack" ein Bild mit den Essls beim Atelierbesuch und eine Szene aus dem Baumarkt gehängt hat.

Arnulf Rainer Illustrieren und Übermalen läßt sich im Zeichenbuch für Kinder, das Olaf Nicolai aufgelegt hat. Die Umrisse von Rainers geometrischen "Proportionsordnungen" von 1954 lassen sich mit Stiften ausmalen. Ob man sich dabei an die rundherum gehängten Originale hält oder selbst kreativ wird, bleibt jedem überlassen. Ebenso, ob man die wuchtigen Rahmen mag, mit denen die slowenische Gruppe "Irwin" Gemälde Frank Stellas in einen neuen Kontext zwängt. Oder, ob man sich im hermetischen Dickicht aus Gut und Böse des von Eliezer Sonnenschein mit Collagen und Computerbildern zur aktuellen Situation in Israel ausgestatteten Raumes zurechtfindet.

Und doch muß man es bei "(un)gemalt" mit Kuratorin Badovinac halten, die meint: "Solange es noch einen letzten Betrachter gibt, existiert auch immer noch die Malerei." Derzeit besonders in Klosterneuburg.

Bis 27. 10, Di.-So. 10-19 Uhr, Juli und August: Mi. 10-22 Uhr.



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