Aber wer will schon artig sein? Ich leide diesen Herbst unter Verstopfung. Visueller. Allein die Zahlen, die einem die Ausstellungspressetexte so stolz servieren, sind alles andere als Nouvelle Cuisine.
Beginnen wir mit dem Gruß aus der Küche: 120 Papierarbeiten und Gemälde in der unterirdischen Albertina-Halle. Vorspeise: 150 Bilder, Installationen, Videos über Liebe und so weiter allein in der (oberen) Kunsthalle sowie 150 Werke der Zwischenkriegszeit in einem Stockwerk des Leopold Museums. Hauptgang: 300 Bilder, Skulpturen, Kunsthandwerke im Unteren Belvedere, um die künstlerischen Verwicklungen zwischen Paris und Wien zu belegen. Da wären zum Dessert die 500 Exponate der „documenta 12“, aufgeteilt auf immerhin fünf Standorte, auch schon egal gewesen.
Der aktuelle museale Leihverkehr scheint zu einer Art Orgie ausgeartet zu sein. Allein fünf Stunden müsste man im Belvedere verbringen, um jedem Exponat nur einen minutenlangen Blick zu widmen, von einem Gedanken ganz zu schweigen. Egal ob der kuratorische Grundgedanke hinter diesen Auflaufausstellungen mehr oder weniger exzellent ist – er geht unter, im besten Fall verduftet er.
Angesichts dieser Opulenz sehnt man sich nach dem sprichwörtlichen Paar Würstel, im besten Fall ist es ein derart unwiderstehliches Gustostückerl, wie es in der Kunst Edouard Manets „Bar in den Folies-Bergères“ ist, die sich unlängst im Getty Museum in Los Angeles – wie es einem Meisterwerk gebührt – ganz allein in einem großen Raum ausbreiten durfte.
Die brechend vollen
Wiener Museumswände aber erinnern mich eher an die Geschichte von Maria
Theresia und ihrem Leibarzt Van Swieten, der zur drastischen
Veranschaulichung der üppigen Mahlzeiten Seiner Majestät synchron zu
ihr die gleiche Menge Delikatessen in einen Kübel leerte. Eine ziemlich
effektive Diätmethode, die sich in variierter Form übrigens bis ins
heutige Privatfernsehen gehalten hat. Vielleicht sollten Kuratoren
einfach mehr fernsehen. Bon Appetit.
almuth.spiegler@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2007)