Trotz Diskussionen unter den Mitgliedern
setzte sich der Vorstand der Secession mit diesem Sommerprojekt im
Garten durch, das verschiedene Öffentlichkeiten anspricht. Spätestens
seit der Eröffnung der documenta 12, aber eigentlich schon seit Daniel
Spoerris "Eat-Art" samt Restaurant im Paris der Sechzigerjahre, wissen
Kenner der Gegenwartskunst von dieser kulinarischen Schiene der Szene:
Essen und Kochen sind Künste. Zu überprüfen ist dies im Garten der
Secession bis 30. September anhand der speziellen Würstelproduktion der
schweizerisch-österreichischen Künstlergruppe "Die Wursthaberer"
(Patrick Baumüller und Severin Hofmann).
Es geht um die Wurst
Neben "Lady Thai", einer gesunden Weißwurst, deren Fleisch mit
Kokosmilch, Limettensaft, Zitronengras und Koriandergrün gemischt wird,
steht eine noch namenlose Lammwurst auf dem Angebot, die speziell auf
das gemischte Publikum der Kunstmoschee abgestimmt ist:
Schweinefleischverbot haben sich die Wursthaberer aber schon zuvor
auferlegt – ein Fleischhauer und ein Designer für den Bauwagenturm
gehören mit zur Parallelexistenz zweier Künstler.
Die Forschung über Konsumverhalten, Alltagspraktiken und
soziokulturelle Interaktion ist im kulinarischen Programm integriert.
Die bosnische Künstlerin Azra Akšamija, seit 1997 Österreicherin und
derzeit am MIT in Cambridge (USA) tätig, hat in mehrerlei Hinsicht
Fäden verknüpft: So arbeiten an ihren Teppichen aus verwebten
Holzfliesen Menschen verschiedener Herkunft.
Ausrichtung nach Mekk a
Die an einer Seite rotgelben und der anderen Seite grünblauen
Ornamente von in Rauten geordneten Dreiecken werden jeden Tag im Garten
hinter der Secession ausgelegt und nun auch noch vergrößert, bis die
Dimension des Gebäudes dahinter gespiegelt ist.
Allerdings ist dieser durch Schneestöcke ausgesteckte Bereich nach
Mekka ausgerichtet – die Geometrie bezieht sich auf die Geburt der
Abstraktion 1902 im Kunsttempel Secession genauso wie auf das
Bildverbot im Islam und die Vielfalt der Ornamente.
Diese mit Heidi Pretterhofer entwickelte Grundfläche von 120
Teppichen wird zum Gebet ebenso geeignet sein wie als kommunikativer
Ort. Es werden die Regeln einer Moschee eingehalten und gezeigt, dass
es dabei, anders als bei christlichen Sakralräumen, um eine breitere
Nutzung geht.
Die Welt als Moschee
Flexibilität war von den Moslems seit dem Ausspruch des Propheten
Mohammed gefordert, der die ganze Welt als Moschee bezeichnet hat. Auf
diese offene Auslegung und das soziale Konzept – als Krankenhaus oder
Schule – bezieht sich Akšamija genauso wie auf die Ästhetik der
Architekturformen – ein Konzept, das wohl nicht gerade die streng
Gläubigen anlocken wird.
Eine Thematisierung des Islam in Europa und die Schwierigkeiten der
Kommunikation ist wünschens wert. Ob aber das Begleit programm von "dy
'na:mo" mit anspruchsvollen Filmen, Vorträgen und Lesungen auch
Integrationsarbeit leisten wird, bleibt fraglich. Ein wenig darf man
aber auf die Wursthaberer hoffen.
Azra Akšamija und
Baumüller/Hofmann
Secessionsgarten
Zu sehen bis 30. September
Integrationskunst.
Donnerstag, 19. Juli 2007