BerlinOnline Berliner Zeitung
Freitag, 13. Februar 2004

So wild ist es auch nicht

Heute Abend wird die dritte Berlin Biennale eröffnet. Ein erster Rundgang

Sebastian Preuss

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Eines steht immerhin fest: Diese Berlin Biennale wird nicht die letzte sein. Als Privatinitiative von Klaus Biesenbach, dem Bauentwickler Eberhard Mayntz und anderen gegründet, bewegte sie sich bislang auf dünnem Eis, war immer wieder ernsthaft gefährdet, um dann aus dem Hauptstadtkulturfonds und anderen Töpfen gerade noch einmal gerettet zu werden. Von der nächsten Ausgabe an ist sie "Leuchtturm" der Kulturstiftung des Bundes, damit wird sie zu einer Art Renommier-Experimentallabor der Berliner Republik aufsteigen. Ob das einer Veranstaltung, die jung und vital sein will, gut bekommt, muss sich erweisen.

Doch ist schon in dieser dritten Ausgabe der Prozess der Etablierung und Professionalisierung deutlich voran geschritten. Das mag durchaus am Organisationsgeschick von Ute Meta Bauer, der künstlerischen Leiterin, liegen. Hinzu kommt, dass die Biennale die unfertigen, struppigen Orte wie das Postfuhramt verlassen hat, in den Kunst-Werken recht präzise eingebaut wurde und im Obergeschoss des Martin-Gropius-Baus sogar in einem repräsentativen Staatspalast gelandet ist.

So ist das Gesicht der Biennale deutlich glatter als das ihrer Vorgänger, an vielen Stellen beinahe museal perfekt, obgleich die meisten der teilnehmenden Künstler auf die kritische Durchforstung gesellschaftlicher Prozesse zielen, auf Strategien eher "von unten" als aus dem enthobenen White Cube. Ute Meta Bauer, die nach Saskia Bos Ausweitung ins Westlich-Globale den Fokus auf die Berliner Szene legen wollte, liefert implizit die Erklärung für die zum Teil fast entrückte Inszenierung des Berliner Hexenkessels, der für sie so recht offenbar keiner mehr ist: "Das Versprechen Berlin ist nicht eingelöst worden." So wild, wie es sich die Welt heute gerne vorstellt, sei Berlin eben doch nicht.

Um dies zu untermauern, platzierte Bauer Erinnerungen an die achtziger Jahre, die in ihrer Vitalität und Strahlkraft von Neuberlinern meist verkannt werden. Es ist die Zeit, in der sie selbst in der Kunst- und Musikszene Kreuzbergs kräftig mitmischte. So läuft in der großen Halle der Kunst-Werke ein Film von Rolf Wolkenstein und Christoph Dreher über die "genialen Dilettanten" Anfang der Achtziger. Man sieht die wilden, sich scheinbar jeder Ästhetik verweigernden Performances von Malaria! und der Tödlichen Doris. Auf dem Nachbarmonitor wird die Entwicklung des Techno, Berlins Beitrag zur Musik der frühen Neunziger, dokumentiert.

Im Themenraum "Sonische Landschaften" - Bauer nennt die fünf verklammernden Einschübe "Hubs" nach der Bezeichnung für Knotenpunkte in der Luftfahrt und in der Elektronik - geben die Kuratorin Christiane Erharter und die Musikjournalistin Sonja Eismann Einblick in die Szene elektronischer Musik, die Berliner Frauen hervor gebracht haben. Hier gibt es Lesematerial, Plakate, Videos und Hörstationen. Ähnlich ist Jesko Fezers und Axel John Wieders Info-Oase zu den "Urbanen Konditionen" gestaltet, während sich Regina Möller dem Thema "Moden und Szenen" mit einer wenig erhellenden Installation über die DDR-Mode annähert.

Insgesamt sind die Hubs, die im Ausstellungsparcours inhaltliche Anhaltspunkte geben sollen, eher enttäuschend. Sie können sich nicht recht entscheiden zwischen ästhetischem Statement und didaktischer Durchdringung - am Ende ist beides nicht erreicht. Ohnehin sind rein ästhetische Positionen in Ute Meta Bauers Kunstbegriff nicht vorgesehen. Für sie müssen Kunstwerke "Ermöglichungsräume für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen" sein. Und einigen Teilnehmern ist das in überraschender Weise gelungen: etwa Melik Ohanians Kamerafahrt durch die tristen Docklands von Liverpool, Fanni Niemi-Junkolas Film über eine finnische Roma-Familie im Pferdegeschäft, Marcelo Expósitos Arbeit über den Antiglobalisierungskampf in Genua, Walter von Beirendoncks hautenge, mit schwulen Macho-Idealen spielende Mode oder Ryuji Miyamotos Dokumentation der Pappbehausungen japanischer Obdachloser.

Bauer will eine sozialkritisch- analysierende Kunst vorführen, der sinnliche Eindruck ist dabei oft trocken und dürr. Über weite Strecken hat der Ausstellungsparcours etwas Seminarhaftes, weit mehr noch als auf Catherine Davids umstrittener Documenta 10. Man muss viel lesen, in Kopien blättern, Zeit für längere Filmsequenzen mitbringen oder in Muße digitaler Musik lauschen. Zu einem Gesamtbild der Berliner Szene wollen sich die Eindrücke kaum fügen. Aber mittlerweile sind so viele Künstler aus aller Welt hier ansässig, dass jeder Kurator ein ganz anderes Berlin an die Oberfläche bringen würde. Auf jeden Fall ist Ute Meta Bauer ein ganz neuer, für viele unerwarteter Blick auf die Stadt gelungen.


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