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Ein Raum der Ruhe für Unruhige

Nur noch wenige Tage kann man in Bernhard Kathans Kubus auf der Seegrube einkehren.

TT: Seit 9. Juli steht Ihr Ruheraum auf der Innsbrucker Seegrube. Wie viele Wanderer haben in ihm Station gemacht?

Kathan: Exakte Zahlen habe ich keine. Lange nicht alle Wanderer nehmen den Ruheraum wahr, manche schauen nur kurz hinein, andere gehen hinein, manche übernachten sogar in ihm. Aber rund 300 Leute sind sicher allein wegen des Ruheraums auf die Seegrube gefahren.

TT: Wie schauen die Reaktionen der Besucher aus?

Kathan: Sind sehr vielfältig. Die einen sind begeistert, andere wieder empfinden den Ruheraum als unnötigen Fremdkörper in der Natur, wieder andere als sinnlose Geldverschwendung. Kritik kommt besonders von eingefleischten Innsbruckern, die ganz exakte Vorstellungen davon haben, wie die Seegrube auszuschauen hat und wie nicht. Mit einer Reihe von so genannten Fremden hat es dagegen interessante Kontaktaufnahmen gegeben.

TT: Die 14 Meter lange, vier Meter breite bzw. hohe Kiste mit bunten Glaselementen ist natürlich ein Fremdkörper in der hochalpinen Landschaft.

Kathan: Aber das ist ja gerade das Spannende. Es gibt viele Ruheraum-Projekte, etwa von Brian Eno. Diese sind immer im urbanen Kontext angesiedelt, dort wo es laut ist. Aber gerade bei den Menschen, die unseren Ruheraum besuchen, merkt man, welche Unruhe sie auf den Berg mitbringen. Und vielleicht wird gerade diesen bewusst, dass auch der Berg Ruhe braucht.

TT: Aber finden diese Unruhigen Ruhe in dem Raum?

Kathan: Manche finden sie, manche nicht.

TT: In Ihrem Ruheraum ist es aber nicht ruhig. Hier ist doch Musik zu hören.

Kathan: Man kann die Musik aber auch abschalten. Manche der Musikstücke haben allerdings durchaus die Potenz, ruhig zu machen. Die Musik ist auch ganz bewusst nicht über Kopfhörer zu empfangen, denn damit würde der einzelne Hörer wieder isoliert und mir geht es genauso um die Hinterfragung unterschiedlicher Qualitäten von Wahrnehmung wie um das Schaffen einer sozialen Situation.

TT: Funktioniert das?

Kathan: Nicht immer. Wenn sich schon jemand im Raum befindet, ist es für manche ein Hindernis hineinzugehen. Für sie ist der Raum dann sozusagen etwas Privates. Manche sperren sich auch gegen Eindringlinge. Wir überlassen den Besuchern total, was sie aus dem Raum machen. Erstaunlich ist, dass es absolut keinen Vandalismus gegeben hat.

TT: Der Ruheraum ist anlässlich der Feiern zu "75 Jahre Hungerburgbahn" entstanden. Als Objekt von Kunst im öffentlichen Raum sozusagen.

Kathan: Roland Kubanda vom Innsbrucker Stadtarchiv wollte zum Jubiläum etwas in Sachen Kunst realisieren und ursprünglich Objekte aufstellen. Ich wollte dagegen etwas machen, das zur aktiven Auseinandersetzung mit dem alpinen Raum anregt, der auf der Seegrube ein reines Industriegebiet ist. Und um unseren Umgang mit der Ressource Natur kritisch zu hinterfragen, eignet sich meiner Meinung nach ein Fremdkörper wie der Ruheraum ausgezeichnet.

TT: Was passiert mit dem Kubus nach dem 26. Oktober, wenn er auf der Seegrube abgebaut wird?
Kathan: Wir sind auf der Suche nach einem Nachnutzer, auch um die noch ausständigen Kosten des Ruheraumes hereinzubringen, der rund 32.700 Euro teuer war.

2003-10-15 16:16:27