MAK Ausstellungshalle: Russische Kunst heute
Verunsicherung im Labor -oder Zynismus auf Russisch
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Ausstellung "Davaj! Russian Art now. Aus dem Laboratorium
der freien Künste in Russland", die zuvor im Berliner Festspielhaus zu
sehen war und nun bis 22. September im MAK zu Gast ist, gibt sich
unabhängig, selbstbewusst, verwirrend wie ein brodelndes Labor und von den
neuen Medien, Fotografie und Performance bestimmt. Sie integriert Tanz,
Mode und Literatur in die bildende Kunst, der sehnsüchtige Blick in den
Westen ist Vergangenheit; eine Unterordnung gegenüber dem Kunstmarkt ist
vergessen - es gibt bereits in allen russischen Städten quer durch das
Riesenland Galerien, Clubs und Internetcafés, in denen auch geistige, sehr
theoriebewusste Konzepte ausgearbeitet werden. Für jede der Großstädte
von Moskau bis Wladiwostok haben die russischen Kuratoren zwei bis drei
radikale Positionen ausgewählt; die Präsentation ist in einer Art
verschachteltem Labyrinth von Installationen den neuen Tendenzen global
entsprechend. Natürlich ist der Schwund an Respekt gegenüber dem Staat ein
Leitmotiv, der abgelegte Maulkorb, die nationale Bewusstseinskrise, die
Politikverdrossenheit, die Brüche von Tabus sind endlich erlaubte Themen,
die alle Grenzen zwischen Kunst und Leben aufbrechen. Sie zeigen sich
pluralistisch und damit uneinheitlich, mit zeitweiliger Neigung zur Gewalt
in animalischen Aktionen, bewusst beunruhigend, aber auch poetisch.
Maler wie Oleg Chwostow und Alexander Winogradow begegnen Baumeistern
von sozialen Wohn- und Wandermuseen wie Alexander Schaburow mit
humorvoller Leitfigur Iwan Frosch als russischer Superman (von der Decke
hängend). Künstlergruppen und Teamwork zeigen, dass auch hier längst das
Künstlergenie der Romantik abgelöst ist wie international üblich. Frech,
zynisch und provokant geben sich "Die blauen Nasen", die Gruppensex
zwischen Busch, Putin und Bin Laden mit Masken nachstellen -
aktionistische Selbstverstümmelung wird bei ihnen und anderen wohl nach
dem alten Vorbild der Wiener Aktionisten integriert. Den Künstlern ist
keine Documenta, keine Neuentwicklung der letzten Jahrzehnte in Amerika
und Asien entgangen und trotzdem bleiben sie eigenwillig. Natalja
Perschina-Jakimanskaja verweist in feministischer Aufarbeitung und
sensibler Installation auf die erste russische Terroristin Vera Iwanowa
Sassulitsch als Arte-memoria-Beitrag. Ein Utopia aus Pappkartonskulpturen
entwirft Walerij Koschijakow und auch Film und Foto bringen alles an Sex
und Gender-Debatten der letzten Jahre. Vor dem Eingang steht ein alter
ausrangierter Panzer am Gehsteig der Weiskirchnerstraße: Soll er als
letzter Hinweis auf die ramponierte Avantgarde oder als kleine Parallele
zu einem der Orgien-Mysterientheater Hermann Nitschs dienen? Wohl eher als
Zeichen des beendeten Kriegsvokabulars in der Kunsttheorie.
Erschienen am: 05.09.2002 |
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