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Sommerzeit ist Reisezeit
Wer ein wahrer Kunstfreund ist, sollte daher schon bald sein Ränzlein
schnüren, die Sandalen aus der Versenkung holen und bei der Bahn auch
gleich noch Auskünfte einholen über Kilometerbanken oder überregionale
Netzkarten, die idealerweise drei Monate gültig sein sollten. Denn mit der
an Österreicher-Beteiligungen beschämend mageren documenta 11 sollte Ihr
Kunsthunger doch nicht gestillt sein. Kunsttrampen ist angesagt! Heuer
geht’s kreuz und quer durch Österreich, wobei der Westen wieder besonders
aufzeigt und eine reiche Palette hochkarätiger Ausstellungen
bereithält.
Die Qualität zieht sich bis in die kleinsten Winkel. Wer (außer
Insidern) hätte bespielsweise gedacht, daß das Tiroler Städtchen Schwaz in
seiner Stadtgalerie kontinuierlich eine wohlüberlegte Auswahl der
spannendsten Positionen zeitgenössischer Kunst bringt?
Da läßt sich noch im Vorsommer gedeihlich über das Verhältnis
Film/Video/Kunst reflektieren – anhand einer Ausstellung des Hamburger
Künstlers Christian Jankowski. Für seine Videoarbeit „Rosa“ verschränkte
er den – wegen Product-Placement übrigens heftig diskutierten – Kinofilm
„Viktor Vogel – Commercial Man“ von Lars Kraume mit zwei Kunstaktionen,
wobei er Schauspieler ganz laut und ungeniert über Kunst sinnieren läßt:
Götz George etwa, der sich die Frage nach den Grenzen der Darstellbarkeit
bildender Kunst griff, oder Johanne Halem, die ihren Begriff von Schönheit
in der bildenden Kunst definierte. Ab Mitte Juni folgt dann ein
umfangreicher – und bisher unveröffentlichter – Werkblock des
preisgekrönten russischen Photographen Boris Mikhailov, der im Westen vor
allem mit Photos des Perestroika-Rußlands bekannt wurde. „Ich versuche, in
dieser neuen Medienwelt photographische Motive zu finden“, sagt er über
seine neue Arbeit „TV-Mania“.
Russische Kunst
Mikhailov bietet sich gut als Einstieg für eine Recherche zur
russischen Gegenwartskunst an. Da arbeitet etwa Ilya Kabakov, zur Zeit
wohl prominentester russischer Exilkünstler und beliebter Vortragender an
der Salzburger Sommerakademie, zusammen mit seiner Frau Emilia an seiner
Biennale-Arbeit „Not everyone will be taken into the future“ fort.
Die Resultate sind an verschiedenen Orten in Österreich zu sehen: und
zwar in Form eines Bilder- und Zeichnungsblocks im Salzburger Traklhaus,
und als Weiterführung der Venedig-Installation im MAK-Gefechtsturm in Wien
– was wiederum eine schöne Ergänzung zur großen Sommerausstellung des MAK
ist. Unter dem Titel „Davaj!“ widmet diese sich den allerneuesten
Tendenzen und Entwicklungen der russischen Kunstszene, nicht nur in den
Metropolen Moskau und Petersburg, sondern ganz besonders auch in den
anderen Teilen der Russischen Föderation. Wem Rußland nicht östlich
genug ist, der muß allerdings gen Westen ziehen – nach Innsbruck nämlich,
wo der Kunstraum unter dem Titel „Weiche Brüche“ sechs ausgewählte
Positionen japanischer Kunst zeigt – und damit einen Japanschwerpunkt
einleitet, in den im Herbst auch die Galerie im Taxispalais und die
Galerie der Stadt Schwaz einsteigen werden.
Und wem das immer noch zu wenig Welt ist, sollte die Doppelausstellung
„Der globale Komplex“, ein Gemeinschaftsprojekt von O.K. Centrum für
Gegenwartskunst OÖ und Grazer Kunstverein, nicht versäumen. An beiden
Orten, aber mit unterschiedlicher Künstlerbeteiligung, werden
„Problemstellungen globaler Strategien aus dem Blickwinkel der Kunst
hinterfragt“ (Graz) und „ausschnitthaft einzelne Aspekte einer zeitgemäßen
Wahrnehmung von Welt“ (Linz) präsentiert.
Österreichische Positionen
Wozu in die Ferne schweifen, fragen Sie? Nun ja, welthaltig ist auf
jeden Fall auch der Fokus auf die österreichische Kunst. Einen
interessanten – quasi selbstreflexiven – Ansatz verfolgt hierbei die
Innsbrucker Taxispalais-Galerie: Mit
„Strukturen/Referenzsystemen/Algorithmen“ spürt sie anhand einer Auswahl
österreichischer Künstler verschiedener Generationen der Frage nach, wie
sehr die Konzeptkünstler Heinz Gappmayr und Georg Decristel, die beide
seit den 60er- Jahren das diskursive Umfeld Tirols mitprägten, jüngere
Generationen beeinflußt haben. Ein Tiroler bespielt übrigens auch im
Sommer den Salzburger Kunstverein: „Clips of Slips“ nennt Martin Walde
seine große Werkserie rund um merkwürdige Ereignisse im öffentlichen
Raum.
Apropos Salzburg: Die Stadt steht natürlich auch diesmal ganz im
Zeichen der Festspiele. Sogar die Wiener Galerien verlegen deshalb ihren
Standort schon seit Jahren zumindest für einen Monat in die Mozartstadt.
Selbstredend, daß sich auch das Rupertinum als Landesmuseum von seiner
Schokoladenseite zeigt: Die Hauptausstellung ist dem französischen
Avantgardekünstler Fernand Léger gewidmet. Mindestens ebenso spannend
versprechen schon im Vorfeld die Präsentationen des Photoklassikers August
Sanders (1876–1964) und des Dadaisten und Magischen Realisten Christian
Schad (1894–1982) zu werden.
Und dann ist die Frage: Was nun? Bregenz oder Wien? Wir empfehlen
beides. In Bregenz hat das KUB eine Personale der immer wieder wunderbaren
Louise Bourgeois angekündigt. Und in Wien findet mit der Wiedereröffnung
des MUMOK eine unendliche Geschichte ihr (hoffentlich) gutes Ende: Zum
Einstand lenkt Direktor Edelbert Köb den „Fokus 1“ auf gesellschafts- und
realitätsbezogene sowie performative Kunst der 60er und 70er-Jahre aus den
Beständen. Diesen Überblick ergänzen ganz wunderbar zwei zeitgleich in
Wien stattfindende Personalen: einmal die Retrospektive „Seit 1965“ der
amerikanischen Konzeptkünstlerin Adrian Piper. Und zum zweiten „Bank Job“,
eine ironische Intervention des kalifornischen Künstlers Richard Jackson,
dessen vorrangiges Interesse seit jeher, wie auch bei Künstlern wie Bruce
Nauman oder Richard Tuttle, dem Entstehungsprozeß des Kunstwerkes und
nicht seinem Objektcharakter gilt.
Österreich
Architekturzentrum Wien: Walter Pichler, „Das Haus
neben der Schmiede“, 16. 5.–29. 7. Bawag Foundation
Wien: Richard Jackson, „Bank Job“, bis 30. 6. Galerie
der Stadt Schwaz: Christian Jankowski, „Rosa“, 18. 5.–8. 6.;
Boris Mikhailov, „TV-Mania“, 15. 6.–27. 7. Galerie im
Taxispalais, Innsbruck: „Variable Stücke. Strukturen, Referenzen,
Algorithmen“, 5. 6.–11. 8., „The Baltic Times“, bis 25.
Mai Galerie im Traklhaus, Salzburg: Ingeborg Lüscher,
„Fusion“; 23. 7.–17. 8.; „8 di Segno“; 5. 7.–3. 8.; Ilya und Emilia
Kabakov; 8. 8.–14. 9. Generali Foundation, Wien:
Adrian Piper, „Seit 1965“, 17. 5.–18. 8. Grazer Kunstverein,
Graz: „Continental drift“, 5. 6.–7. 7. Gut
Gasteil: Christian Ludwig Attersee, 6. 7.–1. 9.; Peter Bischof
und Lore Heuermann, „In Bewegung“, bis 30. 6. (=Jahresthema 2002: „So
oder so ist das Leben“) KUB, Kunsthaus Bregenz: Louise
Bourgeois; 6. 7.–8. 9. Kunsthalle Wien: „Tableaux
Vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video“,
24.5.–25.8.; „Kapital & Karma“, bis 9.6.
KunstHausWien: David LaChapelle, „Photographs“, 6.
6.–22. 9 Kunsthaus Mürz, Mürzzuschlag: : „Mega:
Manifeste der Anmaßung. Syndrom Babylon und die moderne Architektur“, bis
4. 8. Kunstraum Innsbruck: Weiche Brüche. Japan ab 29.
6. MAK, Wien: „Davaj! Aus dem Laboratorium der freien
Künste in Rußland“; 19. 6.–22. 9., Richard Artschwager, „The Hydraulic
Door Check. Skulptur, Malerei, Zeichnung“, bis 16. 6. Mumok,
Wien: „Fokus 1. Rebellion. Aufbruch in der Kunst der 60er Jahre.
Wiener Aktionismus – Fluxus – Nouveau Réalisme – Pop Art“, 20. 6.–Juni
2003 Neue Galerie der Stadt Linz: Christian Skrein,
„Die Wiener Kunstszene in den 60er Jahren. Fotografien“, und Richard Peter
Schmid, „Linzer Klangwolke. Gemälde“, 16. 5.–16. 6. Offenes
Kulturhaus, Linz: : „Der globale Komplex“, 29. 5.–14.
7. Porschehof, Salzburg: Anna Jermolaewa, bis Ende
Juni Rupertinum, Salzburg: : Christian Schad, „Die
Magie des Realen. Bilder, Zeichnungen, Aquarelle, Graphik und
Schadographien“, 9. 5.–7. 7., August Sander, „Menschen des 20.
Jahrhunderts“, 26. 5.–21. 7.; Joannis Avramidis, „Zum 80. Geburtstag“, 6.
7.–29. 9.; Fernand Léger, „L’Esprit Moderne“, 27. 7.–20.
10. Salzburger Kunstverein: Martin Walde, „Clips of
Slips“, 13. 6.–28. 7. Secession, Wien: Rirkrit
Tiravanija, Ines Doujak, beide 4. 7.–1. 9.; Ayse Erkmen; Trina Robbins,
„She Draws Comics“; beide bis 23. 6. Soho in Ottakring,
Wien: „Flüchtig Daheim“; 25. 5.–8. 6. Technisches
Museum, Wien: Margherita Spiluttini, „Nach der Natur.
Konstruktionen der Landschaft. Fotografien“, bis 22. 9. Wiener
Festwochen: „Galerierundgang“, 8. 6.
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