Ausstellungen 
   
   
  71 

Wien: Studiocity Patrizia Grzonka

 
   
   


»Studiocity« hieß ein temporäres Ausstellungs- und Diskussionsprojekt, das letzten Winter einige Wochen lang in einem Büro-Hochhaus am Rande Wiens installiert war. Der Austragungsort befand sich im neunten Stockwerk des Gebäudes der Austria Presseagentur aus den sechziger Jahren, das aufgrund seiner peripheren Lage und seiner für Wiener Verhältnisse exorbitanten Höhe lange Zeit einen singulären urbanistischen Stellenwert eingenommen hatte. Heute wird die Rolle dieses Gebäudes als Grenzmarkierung der Stadt gegen Nordwesten hin zusehends irrelevant, da sich mit den Neubauten auf der sogenannten Donauplatte, vor allem aber mit dem erst kürzlich unter großem Tamtam eingeweihten Millenniumstower, dem mit 204 Metern höchsten Gebäude Österreichs und vierthöchsten Europas, ganz andere Parameter einer städtischen Verwertungsökonomie in den Vordergrund geschoben haben.
Das wird auch auf kleinerer Ebene deutlich, insofern nämlich die Räume, in denen »Studiocity« lokalisiert war, durch eine Vermarktungslücke frei geworden sind: Der Pharmakonzern, dessen Büros bis vor kurzem hier lagen, ist in den ebenfalls kürzlich eröffneten Andromedatower umgezogen. Hochhauspolitik in Form von Imagetransfers: was als Diskussionsthema für diesen spezifischen Ort gedacht war, hatte bereits vorab seine Bestätigung durch die realen Veränderungen erfahren.
Grundthese des Projektes »Studiocity«, das von Andreas Spiegl zusammen mit den beiden Architekten Christof Schlegel und Christian Teckert organisiert wurde, war die medientheoretische Annahme einer sich zunehmend der reinen Oberflächenbenutzung verschreibenden Stadtpolitik, bei der Eventkultur und Ereignisstruktur die »lästigen, weil unspektakulären Fragen nach der urbanen Infrastruktur« scheinbar abgelöst haben. Städtische Planungspolitik würde sich demnach ähnlich wie das Fernsehen mehr und mehr auf eine solche Erlebnisprogrammierung konzentrieren, anstatt Strukturkonzepte zu diskutieren.
Nun ist diese These etwa angesichts der Ereignisse auf dem Wiener Rathausplatz, der jahrein, jahraus von irgendwelchen Opern-, Festwochen-, Eislauf-, oder Christkindlmarktveranstaltungen besetzt ist, oder der derzeitigen Hochkonjuktur von Cineplex-Centers durchaus einleuchtend. Es lag aber möglicherweise an der Besetzung der einzelnen Diskussionsabende, die als Referenz an die legendäre »Club-Zwei«-Sendung des ORF als gemütliches Sitzrund angelegt waren, daß eine ausformulierte Kritik an urbanistischen Konzepten doch irgendwie in der Luft hängenblieb. Oder anders gesagt: dem Projekt schien die entscheidende Reibungsfläche zu fehlen, zumal man sich mit den vorgetragenen Postulaten vorwiegend unter seinesgleichen befand. Demgegenüber bewegten sich die Arbeiten der teilnehmenden KünstlerInnen zwischen »neutraler«, site-spezifischer Thematisierung der Örtlichkeit und expliziteren politischen Positionen, wobei diejenigen Beiträge, die sich mit dem medialen Eventcharakter beschäftigten, am spektakulären Ort des APA-Gebäudes eindeutig am besten funktionierten. Ein Gemeinschaftsprojekt von Alice Creischer, Mona Hahn, Jane Heiss, Andreas Siekmann und Thomas Winkelkotte behandelte etwa die Beziehungen zwischen verschiedenen Arbeitsbegriffen und sozialen wie urbanen Effekten. Sie drehten hier den ersten Teil eines Films, dessen Settings und Storyboards schließlich in Form einer »abgenutzten« Filmkulisse in der Ausstellung zu sehen waren. Der Wiener Künstler Oliver Hangl inszenierte eine Reihe von Minidramen, die als Filmprojektion auf dem gegenüberliegenden Bürohaus zu verfolgen waren. Dorit Margreiter verfaßte eine Paraphrase auf TV-Soap-Operas, bei der Kurzstorys der an »Studiocity« beteiligten KünstlerInnen -gesprochen von professionellen SynchronisatorInnen - in einem Video aufbereitet wurden. N.I.C.J.O.B. schließlich hat das»Loop«, die Endlosschleife, buchstäblich gespiegelt und mit dem daraus resultierenden »Pool« - ein leeres hellblaues Becken wurde in der Ausstellung nachgebaut - eine Analogie zu einem endlos wiederholten Motiv im amerikanischen Alltagsleben hergestellt. (29. Jänner bis 26. Februar; »Studiocity« wird in modifizierter Form - zum Teil mit neuen Arbeiten der teilnehmenden KünstlerInnen und unter Anpassung des Themas an eine andere städtische Situation - im Juni im Kunstverein Wolfsburg weitergeführt.)

 
     

© 1997-99 springerin