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Andre Heller - Neue Kristallwelten: "Ein Vatikan des Funkelns"

Mit über fünf Millionen Besuchern stellen die 1995 eröffneten "Swarovski Kristallwelten" in Wattens eine vergleichslose Erfolgsgeschichte in der heimischen Museumslandschaft dar.

Wattens (APA) - Nun wird auf den Publikumsansturm reagiert. Mit 15 Mio. Euro Investment wird das Angebot auf insgesamt 4.000 Quadratmeter verdoppelt. Wieder ist Multimediakünstler Andre Heller Ideenspender und Chefplaner für die neuen Wunderkammern und künstlerischen Angebote. Kurz vor der für den Abend des 4. Dezember geplanten Eröffnung traf die APA Heller in Wattens zum Gespräch über die "Kristallwelten", über das Kulturprogramm für die Fußball-WM 2006 und seine weiteren Pläne.

APA: Herr Heller, eigentlich lautet Ihr Motto "Lernend sich verwandeln", doch nun kehren Sie nach ihrer jüngsten CD-Veröffentlichung mit der Erweiterung der Kristallwelten erneut zu einem Erfolg der Vergangenheit zurück. Warum?
Heller: Eigentlich ist es ja nur ein Nachjustieren auf Grund des riesigen Erfolges. Ich habe mit 400, 500 Besuchern pro Tag gerechnet, doch kommen täglich zwischen 4.000 und 6.000. Es gibt für diese Besuchermassen zu wenig Platz und zu wenig Angebot. Nun tragen wir dem Erfolg Rechnung.

APA: Ist es einfach eine Erweiterung auf die doppelte Fläche, oder gibt es auch eine Veränderung des Konzeptes?
Heller: Ich bin der Ansicht, dass Erfolg zu größerer Radikalität verpflichtet. Wir haben daher ausgezeichnete Künstler eingeladen, hier etwas zu gestalten. So gibt es eine große Installation von Fabrizio Plessi, einem der führenden Video-Stars. In einem anderen Raum erlebt man ein schwebendes Gedicht von Hans Magnus Enzensberger. Dazu kommt eine sehr großzügige Galerie für Ausstellungen jeder Art, die niemand geringerer als der ehemalige "documenta"-Chef Harald Szeemann kuratieren wird, und eine Plattform für Musikveranstaltungen. Es gibt mit dem neuen Kristalloskop künftig einen zweiten Meditationsraum, aber etwa auch einen Saal, in dem private Gegenstände des Riesen, der ja zum Wahrzeichen der Kristallwelten geworden ist, zu sehen sind.

APA: Was hat man sich darunter vorzustellen?
Heller: Ich behaupte, er war auf Weltwanderschaft, ehe er sich in Wattens niedergelassen hat. Also sieht man Objekte, die er von unterwegs mitgebracht hat. Zum Beispiel eine große Ziehharmonika, auf der er in Katmandu Tiroler G'stanzln gespielt hat. Die Musik dazu stammt übrigens von Roland Neuwirth.

APA: Auch die Nebenräume für die Besucher wurden ausgeweitet.
Heller: Wir haben einen Gourmettempel, ein großartiges Cafe und Restaurant dazugebaut und der Kult-Architekt Terence Conran hat neue Verkaufsräume geschaffen. Künftig sind Kunst und Verkauf vollkommen klar getrennt. Von Conran sind auch die neuen Clubräume für die organisierten Sammler von Swarovski. Für die und alle anderen entsteht hier ein Vatikan des Funkelns, das, wovon alle Elstern der Welt des Nachts träumen. Es geht hier um nichts weniger als um Österreichs erfolgreichstes Museum, das ganz ohne Subventionen betrieben wird.

APA: Auch Ihr Fußball-WM-Globus, mit dem Sie in deutschen Städten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 werben und der gerade von Berlin nach Frankfurt übersiedelt ist, erweist sich als ungewöhnlich erfolgreich.
Heller: Ja, wir hatten in Berlin 111.000 zahlende Besucher. Das hat mit der Signifikanz des Symbols zu tun, vor allem aber mit der Raserei, die in manchen Köpfen entfacht wird, wenn es um Fußball geht. Da bin ich ja ein Lehrbub.

APA: Sie selbst haben sich auch als Bub nie für Fußball begeistern können?
Heller: Nicht wirklich. Ich war immer froh, wenn ich für mich allein war. Ich war nie ein großer Mannschaftsspieler.

APA: Da hätten Sie ja noch immer Tormann spielen können.
Heller: Ich bin nicht der Typ, der sich einem Ding entgegen schmeißt, das auf ihn zugeflogen kommt. Mein ganzer Instinkt würde mir für diesen Fall sagen: Ausweichen!

APA: Die Schicksalsfrage "Austria oder Rapid" hat sich Ihnen nie gestellt?
Heller: Da ich in Hietzing aufgewachsen bin, hat es zumindest geografisch eine größere Nähe zu Rapid gegeben. Doch im Zweifelsfall habe ich immer Lesen vorgezogen. Außerdem sind mir 22 verschwitzte Herren immer weniger attraktiv erschienen als eine einzige wohlriechende Dame.

APA: Auch das Thema Cordoba lässt sie kalt?
Heller: Das finde ich nur lächerlich. Dass wir noch heute davon zehren, zeigt ja, in welchem Zustand sich der österreichische Fußball befindet.

APA: Fußball ist heute untrennbar verbunden mit Patriotismus, Nationalismus und Rowdytum - alles Dinge, die Ihnen fremd sind.
Heller: Aber gerade das interessiert mich - die politische, die gesellschaftliche Dimension von Fußball. Es ist ja schließlich außer Erotik für Millionen und Abermillionen Menschen der vielleicht größte gemeinsame Nenner. Und unter dem Pseudonym Fußball erreichen wir alle Altersgruppen und Ausbildungsgrade. Das Kulturprogramm, für das ich verantwortlich zeichne, beschäftigt sich ja mit hunderten Themen, von "Fußball und Rassismus" bis zu "Fußball als Männerwahn" oder "Fußball als politisches Mittel in der Dritten Welt".

APA: Was wird es neben den Diskussionen und Vorträgen noch geben?
Heller: Wir planen etwa Ausstellungen zum Thema "Kunst und Sport" sowie eine Zeitung, oder wir laden wesentliche Literaten und Philosophen, die alle eine erstaunliche Leidenschaft für das Thema zeigen, zu Kongressen. Wir produzieren Filme und Theaterstücke und vieles mehr. Das ist ein Fass ohne Boden, und es ist unglaublich spannend.

APA: Für dieses Fass ohne Boden stellt die deutsche Bundesregierung 30 Mio. Euro zur Verfügung....
Heller: Das stimmt so nicht. Wir erhalten keine Steuergelder, sondern einen Teil des Erlöses eines dafür geschaffenen Münzprogramms. Die Globustournee wird zum Beispiel fast zur Gänze von DHL gesponsert. Und wenn man bedenkt, dass allein die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Sydney 50 Mio. Dollar gekostet hat, sind die Ausgaben für unsere über drei Jahre international laufenden Programme wohl nicht zu hoch bemessen.

APA: Inkludiert Ihr Auftrag auch eine Gestaltung der WM-Eröffnungsfeier?
Heller: So ist es. Das Ganze wird unter dem von mir kreierten Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden!" stehen. Es wird eine Weltbetrachtung und keine Nabelschau, mit sicherlich tausenden Mitwirkenden. Mehr Details darf und will ich aber noch nicht verraten.

APA: Nach der Eröffnung der erweiterten "Kristallwelten" treten Sie bei der Tübinger Poetikdozentur die Nachfolge von Susan Sontag an. Was erwartet Sie dort?
Heller: Eine absolute Zitterpartie. Ich werde dort wohl im Artmann'schen Sinne über das Leben als poetischen Akt sprechen und mit Gedanken flanieren. Ich kann keine wissenschaftlichen Programme vermitteln, sondern nur über das reden, was meine Erfahrungen sind, was mich verstört, was meine Angstbewältigungsprogramme sind. Am liebsten wäre es mir, mit den Studenten in heftige Gespräche zu kommen.

APA: Sie sind bekannt dafür, viele Projekte gleichzeitig zu verfolgen. Was ist noch in Planung?
Heller: Wir planen etwa in einer südlichen Region einen ganzen, "idealen" Ort. Meine Pariser Operninszenierung mit Jessye Norman übersiedelt im April nach Tokio. Dann gibt es im Herbst ein neues Buch und ein neues Filmprojekt über ein musikalisches Thema, und außerdem planen wir ein Museum zum Thema Licht in Italien. Es gibt sehr viel, was in Arbeit ist.

APA: Wie schaffen Sie das alles?
Heller: Ich habe eine fantastische Organisation, eine hochprofessionelle Verwirklichungsmaschine unter der Leitung von Stefan Seigner. Ich füttere sie mit Problemen, und sie kommen mit den kreativsten Lösungen. Ich selbst bin dort im vergangenen Jahr vielleicht nur vier Mal gewesen. Ich bin am fähigsten, wenn ich in Ruhe gelassen werde, wenn ich spazieren gehe oder inmitten meiner Kunstsammlung ganz bei mir bin. Und dann bin ich auch ganz gut mitten in der Schlacht, in der Endphase einer Realisierung. Aber für die Mühen des Alltags eigne ich mich nur bedingt.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
2003-12-01 09:46:17