Avantgarde in Mexikos Farben | |
Von Dorothee Frank
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Sofort ist man in der Luis-Barragán-Schau
von den intensiven visuellen Eindrücken gefesselt. Ungewöhnlich hohe und
lange Stellwände, weiß oder purpurrot, gliedern die MAK-Ausstellungshalle
in ein Gefüge von schrägen Räumen und Durchblicken. Diese
Ausstellungsarchitektur entspricht ganz den Projekten von Luis
Barragán. Alles an seinen Landhäusern, Landschaftsgärten, Türmen und Sakralbauten
ist große, weiträumige, elegante Geste, und das bei einfachsten,
ornamentlosen, reduzierten geometrischen Formen.
Farbige Moderne Der 1902 in Guadalajara geborene Barragán ist aber kein Repräsentant
der sogenannten weißen Moderne. Typische Farben Mexikos - Terrakotta,
intensives Blau, Rot, Hellbraun oder Ocker - waren integraler Bestandteil
seiner Entwürfe. De Chiricos Einfluss Das Titelfoto der Ausstellung zeigt eine Ansicht aus dem
Urbanisierungsprojekt Los Clubes. Das locker gefügte Spiel farbiger,
hoher, langer Mauern bildet einen umfriedeten Raum. "Barragán hat immer
gesagt, es wäre bei dem heißen und sonnenreichen mexikanischen Klima ein
Fehler, den Schutz der Mauern aufzugeben zugunsten der großen Glasfronten,
wie sie in der europäischen Bau-Avantgarde üblich geworden sind.", sagt
Kuratorin Terragni. "Er war ein sehr moderner Architekt, aber er
modifizierte das Vokabular der Moderne, indem er auf die mexikanische
Tradition einging."
Barragáns Entwürfe haben einen leicht entrückten, surrealen Charakter.
Sie verbinden die Klarheit mexikanischer Klosterarchitektur mit der
Atmosphäre der Architekturszenarien auf Bildern von de Chirico, der Luis
Barragán wesentlich beeinflusst hat. Licht und Schatten und der Blick auf den weiten, blauen Himmel sind
wichtige Komponenten der Inszenierung. Architektur mit Dach (Häuser) oder
ohne Dach (Landschaftsgestaltung), das machte für ihn keinen essentiellen
Unterschied. Architektur ohne Dach Barragán hat mehrfach Gartenstadt-Gebiete und Erholungsareale geplant.
Sein größtes derartiges Projekt, die Jardines del Pedregal entstanden auf
Lavaland südlich von Mexiko City. Gemeinsam mit einem Kompagnon kaufte er
sechs Millionen Quadratmeter sozusagen für ein paar Cent. Das Land war
ökonomisch vorher nichts wert, konnte aber nach der Erschließung mit
Gewinn weiterverkauft werden. "Barragán betrachtete diese Landschaft mit
ihren bizarren Felsen und ihrer ungewöhnlichen Vegetation als typisch für
Mexiko - hier konnte er eine genuin mexikanische Gartenlandschaft
realisieren.", sagt Emilia Terragni. Übergreifender Gestaltungswille Die Jardines del Pedregal sind durch Mauern, Gitter, Skulpturen, Teiche
und Fontänen auf eine grandiose Art im Wechselspiel mit der Natur
gestaltet. Das Land wurde dann parzelliert und als Baugrund für Villen
verkauft - mit der Auflage, dass nur in einer modernen Formensprache
gebaut werden durfte. Barragán, als Architekt gleichzeitig auch Eigentümer und urbaner
Entwickler des Geländes, konnte also die Spielregeln selbst festlegen und
behielt die Kontrolle über das Gesamt-Erscheinungsbild. In Europa würde
man da von einem seltenen glücklichen Zusammentreffen sprechen - in Mexiko
ist das nichts ungewöhnliches: Viele Architekten sind hier ihrer eigenen
Auftraggeber. "Barragan sagte, er wäre kein Architekt, sondern Immobilien-Developer,
was natürlich so nicht stimmt. Er war vieles in einem - auch Poet,
Geschäftsmann, Katholik.....", schwärmt die Kuratorin. Für das Kloster von
Tlalpan hat Barragán eine Kapelle errichtet - auf eigene Kosten, als
Geschenk an die dortigen Ordensschwestern. Kinetische Skulpturen
Wie der Brunnen, die Fontäne, die Mauer, so ist auch der Turm ein
Hauptelement in Barragáns symbolisch aufgeladenem Formenrepertoire. An der Zufahrt zum neuen Stadtteil Ciudad Satélite in Mexiko City
setzte er Ende der fünfziger Jahre mit den "Torres Satélite" ein markantes
urbanes Zeichen. "Diese Türme sind wie eine kinetische Skulptur. Sie haben
keine Nutzfunktion. Sie bestehen aus Stahlbeton, haben dreieckige
Grundrisse und sind innen leer. Wenn man mit dem Auto auf sie zufährt,
sieht man sie als messerschafe Klingen. Von der Seite, im Vorbeifahren,
nimmt man sie als flache Oberflächen wahr; und zuletzt, im Zurückschauen,
sehen sie rechteckig aus.", erläutert Emilia Terragni. Barragán selbst
bekannte einmal, dass ihn die Türme von San Gimigniano in der Toskana zu
diesem Entwurf inspiriert hätten. Überzeugende Präsentation Die Projekte des 1988 verstorbenen Luis Barragán sind in ungewöhnlich
hoher ästhetischer Qualität dokumentiert - nämlich in den Vintage Prints
des Fotokünstlers Armando Salas Portugal. Mit ihm hat er Zeit seine Lebens
gearbeitet. Emilia Terragni: "Salas Portugal wurde das fotografische Auge von Luis
Barragán. Es war nicht so wie üblich - erst baut der Architekt, dann wird
fotografiert. Nein: Portugal machte schon im Vorfeld der Planung Bilder
von dem betreffenden Gelände. Manchmal zeichnete er Barragán den Plan
einer Grundstückserschließung direkt auf das Foto. Aufgrund der Bilder,
die dann während des Bauprozesses entstanden, modifizierte er die Projekte
immer wieder. Es war ein ständiger Dialog zwischen Fotografie und
Architektur." Tipp: Die Ausstellung Luis Barragán - The Quiet Revolution (zusammengestellt von
der Barragán Foundation im schweizerischen Birsfelden in Zusammenarbeit
mit dem Vitra Design Museum) bleibt bis zum 28. Jänner
geöffnet. | ||||||||
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