12.10.2001 23:02:00 MEZ
Die (Un)lustgärten an der Seine
Bericht von der FIAC, der internationalen Messe für zeitgenössische Kunst in Paris

Gute Stimmung konstatiert man auf der Pariser Messe für zeitgenössische Kunst, FIAC (Foire Internationale d'art contemporain), die bis einschließlich 15. 10. in den Messehallen an der Porte de Versailles stattfindet. Nach dem kommerziell enttäuschenden Resultat des Berliner Art Forums in der vorigen Woche kann die FIAC als die nächste Testetappe für das wirtschaftspolitische Klima in der Krise und Angstsituation gewertet werden. Am Eröffnungsabend der FIAC war wenig von der Krise zu bemerken. Obwohl sich die Galeristen keine Illusionen machen: "Realismus ist angesagt", meint Mathias Rastorfer, Galerie Gmurzynska/Köln und Mitglied der COFIAC, des Organisationskomitees der FIAC.

Die COFIAC, der auch die Österreicherin Ursula Krinzinger angehört, hat heuer die Ausstelleranzahl auf 163 herabgesetzt (im Gegensatz zu 197 im Vorjahr) und sich keine drakonischen Vorgaben, wie die One Person Shows des Jahres 2000, ausgedacht. Auch die internationale Beteiligung (mit rund 50 Prozent der Aussteller) ist gut gewichtet. Der erste Eindruck am Eingang der Messehalle, wo die internationalen Galerien platziert sind, ist eine gewisse Langeweile wegen des auf der FIAC immer wieder konstatierten klassischen, modernen Geschmacks im hohen Preisbereich: Marlborough (New York) zeigt die Landschaften des Kubaners Thomas Sanchez (für 1,5 bis 2,85 Millionen öS), Gmurzynska u.a. das Yves-Klein-Gemälde ANT 31 für 380.000 Dollar, aber auch fünf zeitgenössische Russen - darunter die Venedig-Biennale-Vertreterin Olga Chernysheva mit Fotoarbeiten von orientalischen Teppichen (7800 Dollar).

Erst die Fotowandinstallation von Nan Goldin: Thanksgiving Ballad von 1999 (650.000 £) bei Jay Jopling/White Cube (London) weckt via provokative Intimszenen aus der Lethargie. Ab da wird die FIAC lebendig. Restlos wach macht der Stand von Thaddäus Ropac, wo ein bunter Kettenvorhang und der davor stehende, in schwarzes Leder gekleidete Philippe Bradshaw mit seiner vernetzt-verketteten Aufarbeitung der Kunstgeschichte amüsiert. Festwochenintendant Luc Bondy schmunzelt in der dunkel-ironischen Rockkonzert- und Videoatmosphäre und eine Schweizer Sammlerin reklamiert die bestellte Bradshaw-Installation für ihr New Yorker Appartement.

Ob Bradshaw die Installation, die jeweils zwischen 12.000 und 20.000 Pfund kostet, höchstselbst im "bedrohten" New York aufbaut? Ein weiterer Lichtblick sind die Videoinstallationen des Franzosen Pierrick Sorin, den die Galerie Rabouan Moussion seit zehn Jahren vertritt und der mit seinen bitter-komischen Selbstinszenierungen zu Weltruhm gelangte. Seine gezeigten Videoinstallationen kosten zwischen 315.000 und 525.000 Schilling. Fast hundertmal mehr als eine Videokassette im Jahre 1994 . . .

Zwei Tendenzen zeichnen sich auf dieser FIAC klar ab: entweder Künstler anzubieten, die gerade in Paris eine Ausstellung haben. Dubuffet und Nan Goldin im Centre Pompidou, Morandi im Musée de l'art moderne de la Ville de Paris, Tunga im Jeu de Paume. Drei Metall-Zopf-Skulpturen des Brasilianers Tunga kosten bei Templon (Paris) je 40.000 Dollar, zusammen 90.000. Nan Goldins Fotos aus dem Gay-Milieu hängen auch bei Yvon Lambert (Paris) für 80.000 bis 180.000 öS. Waddington, London bietet einen späten Dubuffet, Inspection du territoire von 1982 für 165.000 Pfund an.

Oder sie bleiben beim Prinzip der Einzelausstellungen, wie Jeanne Bucher (Paris), wo Paul Rebeyrolles neueste Malereien, (525.000 bis 2,1 Millionen öS) gleich von einem französischen Sammlerehepaar erstanden wurden. Krinzinger (Wien) präsentiert zuerst Nitsch, anschließend Eva Schlegel und Bjarne Melgaard. Steinek (Wien) lässt dem kalt-verspielten Fabrice Langlade mit seinen lackierten Kreiseln am Boden und den wächsernen (Un)lustgärten an der Wand den Vortritt vor den Fotoarbeiten von Ilse Haider.

Bei Charim blickt man auf die melancholischen Gemälde von Erwin Bohatsch. Ernst Hilgers lebenslustiger Mischstand erfreut einfache Gemüter mit den lachenden Kuhköpfen und (Bärliner) Bären von Ottmar Hörl, Kleinformaten von Nikolaus Moser und Collagen von Erro, die auch in der Pariser Dependance ausgestellt werden. "Wir haben verkauft", verkündet der optimistische Galerist Hilger am Eröffnungstag. Deutsche und belgische Kollegen waren ebenfalls schon kommerziell erfolgreich.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14. 10. 2001)




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