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Kunstberichte

Ausstellung

Ein Regentag am Humusklo

Anleihen an Schiele und Klimt: Hundertwassers Porträt vom "Sohn von Doktor Freund". Foto: Hundertwasser Archiv, Wien

Anleihen an Schiele und Klimt: Hundertwassers Porträt vom "Sohn von Doktor Freund". Foto: Hundertwasser Archiv, Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Er ist in Europa nach Pablo Picasso und Salvador Dalí der beliebteste Künstler: Ernst Josef Friedrich Stowasser, der sich ab 1949 Friedensreich Hundertwasser nannte. Das heißt freilich nicht, dass Kunsthistoriker und Kritiker den weltweit Prominenten schätzen, abgesehen von Ausnahmen wie Werner Hofmann und Robert Fleck. Das "KunstHaus Wien" – Hundertwassers eigener Museumsumbau – widmet nun jedenfalls dem Meister der geschwungenen Linie, unebenen Fußböden und bewaldeten Fassaden, der heuer 80 Jahre alt geworden wäre, eine Ausstellung über sein innovatives Frühwerk und seine Architekturmodelle.

Die Welt verbessern

Hundertwasser (1928-2000), der sich mit Zweit- und Drittvornamen "Regentag Dunkelbunt" nannte, starb auf Reisen und ist auf seinem Landgut in Neuseeland nach seinen naturnahen Vorstellungen nackt unter einem Tulpenbaum bestattet. Als Enfant terrible, das vor der Kulturministerin seinen Hintern entblößte, ist er in die Geschichte des Aktionismus eingegangen, doch wollte der Verfechter von Humusklosetts eigentlich mit seinem "Transautomatismus", einer "Grammatik des Sehens" und dem "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur" eine bessere Welt durch die Kunst schaffen.

Sein erster Rückgriff war der auf Gustav Klimt und Egon Schiele – letzterer zeigt sich deutlich im Porträt des ORF-Journalisten Eugen Freund als Kind. Die frühen Bilder sind voller Farbenharmonie und Ursymbole wie der Spirale. Ornament und Abstraktion trieben ihn lebenslang an, den Gestus des Aktionismus konnte er in seine ökologischen Tätigkeiten einbeziehen – ob als Demonstrant in der Hainburger Au oder bei einer künstlerischen Dachbewaldung.

Doch Hundertwassers innovativer Schub kommerzialisierte sich im Laufe der Jahre: Selbst vor der Behübschung von Flugzeugen, Tankstellen, Hotels und Müllverbrennungs-Anlagen machte er in späteren Zeiten nicht halt. Mögen seine Visionen damit auch in die Jahre gekommen sein: Die Erweiterung des Kunstbegriffs, wie um 1960 proklamiert, hat er tatsächlich mitvollzogen.

Aufzählung Ausstellung

Der Unbekannte

Hundertwasser KunstHaus Wien bis 15. März

Printausgabe vom Freitag, 21. November 2008

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