DiePresse.com | Kultur | News | Artikel DruckenArtikel drucken


Impulsive Preisentwicklung

12.12.2007 | 18:16 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Ausstellungen über den holländischen Künstler Karel Appel in der Albertina und in der Galerie Ulysses. Werke des Cobra-Mitbegründers wurden deutlich teurer.

Vital, farbenreich, expressiv, so beschreibt der Galerist John Sailer den Künstler Karel Appel (1921–2006). „Ich bin ein barbarischer Maler in einer barbarischen Zeit“, sagte Appel über sich selbst. Und Albertina-Direktor Klaus A. Schröder beobachtet: Abkehr vom Akademischen, impulsive Inspiration. Impulsiv war auch die Preisentwicklung in den letzten Jahren. Die Kurve der Firma Art-Price, die Kunstwerte ermittelt, weist steil nach oben. In den letzten zehn Jahren haben sich die Preise für Appel mehr als verdoppelt.

Die in der Galerie Ulysses ausgestellten Arbeiten auf Papier, Aquarelle, die teils aus der späteren, teils aber auch aus der Cobra-Zeit Appels stammen, kosten zwischen 30.000 und 70.000Euro. Wobei die Cobra-Bilder besonders gesucht sind, weil die 1948 gegründete Gruppe, die sich nach den Heimatstädten ihrer Gründungsmitglieder (Copenhagen, Brüssel, Amsterdam) benannte, das Pendant zur damaligen US-Avantgarde war. Künstler wie Asger Jorn, Appel, Constant, Corneille, Aleschinsky lehnten den Surrealismus ab und strebten eine Wiederbelebung des Expressionismus an.


Zwölf Werke für 800.000Euro

Die politische Dimension war, dass man sich nach dem vom Totalitarismus oktroyierten Realismus mit Lust auf das Ungezügelte, Wilde stürzte. Cobra ließ sich von Kinderzeichnungen und der Kunst der Geisteskranken inspirieren. Der Etikettierung als Cobra-Künstler wollte Appel später entfliehen. Im Laufe seines langen Lebens hat er viele verschiedene Stile und alle Medien durchgenommen. Die Albertina zeigt Aktzeichnungen, die ihr ein Anonymus schenkte. Die zwölf Werke repräsentieren einen Wert von rund 800.000Euro. Für die großformatigen Grafiken, die von 1984 bis 1989 entstanden, ließ sich Appel ein eigenes Zeichenbrett anfertigen. Er wollte nicht Persönliches abbilden. Die meisten Figuren haben kein Gesicht. Es steckt ein Zorn in diesen Bildern von nackten Menschen, die schön oder hässlich, in jedem Fall vergänglich sind. Grautöne dominieren, rote und gelbe Striche treten umso deutlicher hervor.

Die Galerie Ulysses vertritt Appel laut Sailer weltweit exklusiv. In Österreich ist vor allem Karlheinz Essl ein großer Appel-Fan. 2002 zeigte das BA-CA-Kunstforum 60 Gemälde und Skulpturen sowie Arbeiten auf Papier. Viele große Sammlungen, das Fine Arts Museum in San Francisco, das Guggenheim oder das Museum oft Modern Art NY haben Arbeiten von ihm. Einen wichtigen Bestand an Appel-Arbeiten hat auch das erst 2000 eröffnete Danubiana Meulensteen Art Museum in Bratislava, benannt nach seinem Financier Gerard H. Meulensteen. 2005 zeigte das Museum eine Appel-Schau.


Friseur-Sohn aus dem Arbeiterviertel

Dieser sei allerdings nicht auf Museen angewiesen, um seinen Wert zu steigern, betont Sailer, weil er schon seit Jahrzehnten stark gefragt sei. Nachsatz: „Schaden werden ihm Museumsausstellungen natürlich nicht.“

Appel wuchs als Sohn eines Friseurs in einem Amsterdamer Arbeiterviertel auf. Er sollte das elterliche Geschäft übernehmen. Ein Stipendium ermöglichte ihm die ersehnte Kunstausbildung. An der Reichs-Akademie in Amsterdam lernte er seine Cobra-Partner Corneille und Constant kennen. Das Auftragswerk „Fragende Kinder“ im Stadthaus von Amsterdam löste 1949 einen Skandal aus, worauf Appel seine Heimatstadt verließ. Er lebte in Amerika, Frankreich, Italien, der Schweiz, illustrierte auch Theater, Tanz, Oper – und schrieb selbst Gedichte. (Albertina & Ulysses bis 3.2.2008.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2007)


© DiePresse.com