Salzburger Nachrichten am 25. September 2006 - Bereich: Kultur
Es ist Revolution! Aber wer geht hin?

"No Pasaran!": Mit einem inszenierten Aufmarsch startete die ARGEkultur am Samstag den Polit-Schwerpunkt "Spanien 1936"

CLEMENS PANAGLSALZBURG (SN). "Starke Partner hat das Land!" verkündet das Wahlplakat auf dem Krauthügel. Ob damit auch der altertümliche Lastwagen mit der Gruppe Bewaffneter auf der offenen Ladefläche gemeint ist, der da am Samstag Mittag die Sinnhubstraße entlang rollt? "Wohlstand muss gerecht verteilt werden!" steht auf dem Nachbarplakat zu lesen. Aber auch um eine Delegation Wohlstandsarmisten scheint es sich bei dem Häuflein entschlossen blickender Gewehrträger nicht zu handeln. Ein paar hundert Meter weiter staunen die Wahlwerber vor dem Supermarkt ebenfalls nicht schlecht, als der Wagen zum Klang revolutionärer Lieder durch die Neutorstraße rollt. So wörtlich kann im Jahr 2006 den Begriff "Wahlkampf" doch niemand mehr nehmen?

Um Wahlkampf geht es aber ausnahmsweise gar nicht. Mit ihrem Lkw als "mobilem Denkmal" spielt die ARGEkultur spanische Revolution. Den 70. Gedenktag an den Franco-Putsch nimmt das Salzburger Kulturzentrum derzeit zum Anlass, um in einem Schwerpunkt mit dem Titel "Spanien 1936 - Europas Zukunft" an den für Europa zentralen spanischen Kampf gegen den Faschismus und eine lange verweigerte Vergangenheitsbewältigung zu erinnern. Die Aktion "No Pasaran!" ist ein Teil der Theater-, Ausstellungs- und Diskussionswoche.

Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Einer mit Polit-Parolen voll gepflasterten Stadt jubeln die verkleideten Arbeiterkämpfer ihre eigenen Parolen unter: "Ein Volk gegen den Faschismus!" steht auf dem Lastwagen der Demonstranten, die bei näherer Betrachtung als "Internationale Freiwillige für die Freiheit" zu erkennen sind. "Hoch die Fahnen der Solidarität!" tönt es aus einem mobilen Grammophon.

Vorbei an grünen Wahl-Fahrrädern, an WM-Fans und Kirtagsbesuchern in Tracht geht's zum Festspielhaus, danach zum Mozartplatz. An beiden Stationen werden Flugzettel verteilt, die zum Kampf gegen den Faschismus aufrufen. ARGE-Intendant Markus Hank führt den Trupp an. Schwarzes Käppchen und rotes Revoluzzerhalstuch signalisieren Kampfgeist, und das sportive "Puma"-Schuhwerk könnte jeden Klassenfeind vor Neid erblassen lassen.

Bloß: Der Zweck der Übung scheint an diesem Tag schwierig erfüllbar zu sein. Mitten durchs Geschehen durfte der Zug in der mit Veranstaltungen übervollen Stadt offenbar nicht führen. Und vor dem Festspielhaus oder am äußeren Rand des Kirtagstrubels will sich kaum jemand irritieren oder gar in Diskussionen verwickeln lassen, nicht einmal die spanischem WM-Anhänger, die, ihre Nationalflagge schwingend, vorbeispazieren. Das Spektakel wird als Event unter vielen Events neugierig registriert. Für Erinnerungsfotos formieren sich die ARGE-Kunstarbeiter zu Revolutionsstandbildern. Reibungspunkte ergeben sich am ehesten, wenn die Arbeiterkampflieder auf dem Mozartplatz gegen die gleichzeitig spielende Blasmusik ankämpfen.

Ohne Aufsehen allerdings vermittelt der Aufmarsch zumindest an seinen ersten beiden Stationen den Eindruck einer Ruperti-Parade von Revolutionsnostalgikern, für die sich ein alter 68er-Spruch längst ins Ernüchternde umgekehrt hat: Stell' dir vor, es ist Revolution, und keiner schaut hin. Ein älterer Herr aber erkennt die Szene dann doch noch dankbar als Erregungsanlass. "Des san Kommunisten", erklärt er seiner Frau, "denen geht's wohl z' guat."Nächster Umzug: Donnerstag, 11 Uhr; Streckenplan und Spanien-Programm im Netz: www.argekultur.at.