29. März 2006

Walter Honeder: Chronist eines ganzen Jahrhunderts

Er hat sich, seine Sammler, seine Förderer, seine Zeit überlebt: Walter Honeder, an den das Innsbrucker Stadtmuseum derzeit erinnert.

Artikeltext: "Ich habe gar nicht gewusst, das es mich noch gibt", sagte Walter Honeder anlässlich seines 90. Geburtstags vor fast zehn Jahren. Dieser etwas bittere Satz charakterisiert ideal die Situation des im heurigen Jänner fast hundertjährig verstorbenen Künstlers. Denn er ist ein zu Unrecht fast Vergessener, einer, der sich, seine Sammler, seine Förderer, seine Zeit überlebt hat.

Seine Kunst wieder ins Bewusstsein zu rücken, ist Sinn der großen Honeder-Personale im Innsbrucker Stadtmuseum, die den Künstler in seiner ganzen Vielseitigkeit porträtiert. Als Maler von Landschaften, als Porträtist, als Zeichner, als Gestalter monumentaler Wandarbeiten im öffentlichen Raum.

90 Jahre seines langen Lebens hat der in Wien geborene und ausgebildete Honeder in Innsbruck verbracht. Sein Vater war ein begabt malender Autodidakt, sein Cousin war Alfons Walde, seine Enkelin ist die Performerin und Videokünstlerin Renée Stieger.

Die Ausstellung im Innsbrucker Stadtmuseum beschreibt den großen Bogen, den Walter Honeder als Künstler beschrieben hat. Die früheste Arbeit, ein gezeichnetes Damenporträt von 1926, atmet noch ganz den formal reduzierten Stil der Neuen Sachlichkeit. Seine frühesten Landschaften atmen einen reduzierten Expressionismus, die Farbigkeit ist fast tonig, das erzählerische Element bilddominierend.

Eine Zäsur in Honeders Werk bedeuten die Jahre als Soldat im Zweiten Weltkrieg und jene als amerikanischer Kriegsgefangener. Heimgekehrt nach Innsbruck, wurde die Begegnung mit der ersten Liga der französischen Moderne, die im Französischen Kulturinstitut in Innsbruck den Kunsthungrigen präsentiert wurde, zum Schlüsselerlebnis.

Honeder fand nun zu seiner spezifischen Handschrift, indem er das Reale mehr und mehr zum Zeichen reduzierte, die Farbe zum Ausdrucks- und Stimmungsträger abstrahierte. Besonders schön in diesem Zusammenhang sind Honeders Nachtbilder, die eine ganz eigenartig berührende, mit Licht und Schatten spielende Aura umgibt.

Als Porträtist blieb der Künstler dagegen viel zurückhaltender, man könnte sagen, braver. Seinem Temperament freien Lauf ließ dagegen der zeichnende Honeder. Seine Enkelin, Renée Stieger, kann sich kaum erinnern, ihren Großvater ohne Zeichenblock gesehen zu haben. Und diese rasch hingeschriebenen Notate sind wahrscheinlich das Beste, das Walter Honeder der Nachwelt hinterlassen hat. Besonders die Blätter aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren zeigen deutlich seine Zeitgenossenschaft mit dem erfolgreicheren Max Weiler.

Zeichnend machte sich Honeder vom Gesehenen frei, fabulierte er in einer frei über das Papier hastenden Hand wunderschöne Bildgeschichten aus einem Gewirr sich lichtender bzw. verdichtender Linien.

Die Ausstellung beleuchtet aber auch den Gestalter zahlreicher Fresken, Sgraffitti und Mosaiken im öffentlichen Raum: Brotarbeiten, die es ihm ermöglichten, als Künstler keine Konzessionen an den Geschmack des Publikums machen zu müssen.

Stadtmuseum, Badgasse 2, Innsbruck; bis 14. April, Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr

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Autor: Von E. Schlocker
Quelle: TT
 
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