Walter Honeder: Chronist eines ganzen
Jahrhunderts
Er hat sich, seine Sammler, seine Förderer,
seine Zeit überlebt: Walter Honeder, an den das
Innsbrucker Stadtmuseum derzeit erinnert.
Artikeltext: "Ich habe gar nicht gewusst, das
es mich noch gibt", sagte Walter Honeder
anlässlich seines 90. Geburtstags vor fast zehn
Jahren. Dieser etwas bittere Satz charakterisiert
ideal die Situation des im heurigen Jänner fast
hundertjährig verstorbenen Künstlers. Denn er ist
ein zu Unrecht fast Vergessener, einer, der sich,
seine Sammler, seine Förderer, seine Zeit überlebt
hat.
Seine Kunst wieder ins Bewusstsein zu
rücken, ist Sinn der großen Honeder-Personale im
Innsbrucker Stadtmuseum, die den Künstler in
seiner ganzen Vielseitigkeit porträtiert. Als
Maler von Landschaften, als Porträtist, als
Zeichner, als Gestalter monumentaler Wandarbeiten
im öffentlichen Raum.
90 Jahre seines
langen Lebens hat der in Wien geborene und
ausgebildete Honeder in Innsbruck verbracht. Sein
Vater war ein begabt malender Autodidakt, sein
Cousin war Alfons Walde, seine Enkelin ist die
Performerin und Videokünstlerin Renée Stieger.
Die Ausstellung im Innsbrucker Stadtmuseum
beschreibt den großen Bogen, den Walter Honeder
als Künstler beschrieben hat. Die früheste Arbeit,
ein gezeichnetes Damenporträt von 1926, atmet noch
ganz den formal reduzierten Stil der Neuen
Sachlichkeit. Seine frühesten Landschaften atmen
einen reduzierten Expressionismus, die Farbigkeit
ist fast tonig, das erzählerische Element
bilddominierend.
Eine Zäsur in Honeders
Werk bedeuten die Jahre als Soldat im Zweiten
Weltkrieg und jene als amerikanischer
Kriegsgefangener. Heimgekehrt nach Innsbruck,
wurde die Begegnung mit der ersten Liga der
französischen Moderne, die im Französischen
Kulturinstitut in Innsbruck den Kunsthungrigen
präsentiert wurde, zum
Schlüsselerlebnis.
Honeder fand nun zu
seiner spezifischen Handschrift, indem er das
Reale mehr und mehr zum Zeichen reduzierte, die
Farbe zum Ausdrucks- und Stimmungsträger
abstrahierte. Besonders schön in diesem
Zusammenhang sind Honeders Nachtbilder, die eine
ganz eigenartig berührende, mit Licht und Schatten
spielende Aura umgibt.
Als Porträtist blieb
der Künstler dagegen viel zurückhaltender, man
könnte sagen, braver. Seinem Temperament freien
Lauf ließ dagegen der zeichnende Honeder. Seine
Enkelin, Renée Stieger, kann sich kaum erinnern,
ihren Großvater ohne Zeichenblock gesehen zu
haben. Und diese rasch hingeschriebenen Notate
sind wahrscheinlich das Beste, das Walter Honeder
der Nachwelt hinterlassen hat. Besonders die
Blätter aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren
zeigen deutlich seine Zeitgenossenschaft mit dem
erfolgreicheren Max Weiler.
Zeichnend
machte sich Honeder vom Gesehenen frei, fabulierte
er in einer frei über das Papier hastenden Hand
wunderschöne Bildgeschichten aus einem Gewirr sich
lichtender bzw. verdichtender Linien.
Die
Ausstellung beleuchtet aber auch den Gestalter
zahlreicher Fresken, Sgraffitti und Mosaiken im
öffentlichen Raum: Brotarbeiten, die es ihm
ermöglichten, als Künstler keine Konzessionen an
den Geschmack des Publikums machen zu müssen.
Stadtmuseum, Badgasse 2, Innsbruck; bis
14. April, Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr