diepresse.com
zurück | drucken

29.09.2005 - Kultur&Medien / Kommentare
Meinung: Salut Graz, altes Rhizom!
VON THOMAS KRAMAR

I
n the city there's a thousand things I wanna say to you", rief die britische Band "The Jam" 1977, und eine ganze Generation von Kulturwissenschaftlern fühlte sich angesprochen: Tausend Dinge? Viel zu prosaisch! "Milles Plateaux" müssen es sein, das fanden auch die Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari, und die musste man fleißig zitieren, damals in der Postmoderne, fast so fleißig wie Lacan, Foucault und Derrida.

Heute lächelt man darüber fast wehmütig: Wer macht noch einen Unterschied zwischen "différence" und "différance", wer gießt brav sein Rhizom, wer verortet noch?

Nun, in Retro-Zeiten findet jeder Nostalgiker sein Revival-Clubbing. Diesfalls beim "steirischen herbst", das verspricht zumindest ein von diesem editiertes Büchlein namens "Stadt.Szenen". Schon im Vorwort wird da (in einem einzigen Absatz!) die Stadt als "dynamisches hybrides Gebilde", als "differentieller Raum" und, ach!, seufz!, als "rhizomartiges System" definiert.

Da wird man also über Wurzeln purzeln zwischen Jakominiplatz und Südtiroler Platz! Festhalten kann man sich an einem weiteren Satz aus dem Vorwort: Das Gehen, heißt es da, "thematisiert die Zeitlichkeit und Räumlichkeit des Städtischen als Bewegungserfahrung", es sei "eine Aussage von unbestimmter Vielfalt", "eine Kartierung in der Performanz". Wer braucht da noch einen Stadtplan? (La) Mur, on arrive!

thomas.kramar@diepresse.com

© diepresse.com | Wien