Zwei Humanisten

Gegenseitige Wertschätzung und ähnliche künstlerische Vorstellungen prägten die Beziehung zwischen Henri Cartier-Bresson und Georg Eisler.
Von Sabine Oppolzer.


Beinahe jedes der Fotos trägt eine persönliche Widmung - für Georg Eisler oder für seine Frau Alice. Und das verleiht der Schau "Bilder einer Freundschaft" in der Wiener Galerie WestLicht einen sehr privaten Charakter.

Die Witwe des Anfang 1998 verstorbenen Georg Eisler meint dazu: "Das Erstaunliche an dieser Freundschaft war, dass beide sehr temperamentvoll, sehr lebhaft waren und dass es trotzdem funktioniert hat, ohne die Geduld zu verlieren. Sie wurde zwar zwischendurch vom älteren Cartier-Bresson verloren, aber auch wiedergefunden."

Freundschaft mit Funkenflug

Immer funktionierte es nicht gut: "Sendepausen gab es zwar nicht, aber manchmal sind schon Funken gestoben", so Alice Eisler.

Eines der Ölgemälde Georg Eislers zeigt Cartier-Bresson beim Aktzeichnen: "Er hat mehrmals an der Sommerakademie in Salzburg teilgenommen und hat dort Akt gezeichnet. Sonst fand das gemeinsame Zeichnen im Pariser Atelier Cartier-Bressons und gelegentlich in seiner Wohnung statt", erzählt Alice Eisler.

Auch politische Übereinstimmung

Fotografien von Demonstrationen aus den frühen 70er Jahren sowie ein Gemälde Eislers von einem aufmarschierenden Polizisten-Heer mit Helm und Schild zeigen auch die politischen Übereinstimmungen zwischen den beiden Künstlern:

"Beide waren Humanisten. Cartier-Bresson war überdies Buddhist, er hat auch eine gute Beziehung zum Dalai Lama, den er auch fotografierte. Und als Anarchisten sieht er sich auch etwas, glaube ich", so die Eisler-Witwe.

Letztes Treffen 1997

Zum letzten Mal sahen sich die Freunde im Oktober 1997, kurz vor Eislers Tod im Jänner des darauffolgenden Jahres.

"Es war auch die allerletzte Reise meines Mannes. Wir fuhren im Oktober 1997 nach Paris zu Cartier-Bresson. Sie haben damals - beide wussten ja, wie es meinem Mann ging - lange Gespräche geführt. Das war so etwas wie ein Abschied", erinnert sich Alice Eisler.

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