VON ARIANE GRABHER
Batschuns (VN) Als Anne Marie Jehle im
November 2000 stirbt, hinterlässt sie ein Haus, das sie seit ihrer
Abreise in die USA 1990 nie mehr betreten hat. Verschlossen steht es
da, einem Gesamtkunstwerk gleich, darin das künstlerische êuvre als
Nachlass ausgebreitet. Dem bemerkenswerten Leben und Schaffen einer
bemerkenswerten Frau und Künstlerin widmet sich im Bildungshaus
Batschuns "Eine kleine Retrospektive".
Geboren 1937 in Feldkirch arbeitet Anne Marie Jehle nach
der Handelsschule als Sekretärin im väterlichen Betrieb. Bereits in
dieser Zeit intensiv mit Bauernmalerei befasst, kehrt sie nach einem
Sprachaufenthalt 1965 nach Vorarlberg zurück, um sich fortan nur
noch der Kunst zu widmen.
Zwischen 1965 und 1990 sind zahlreiche Ausstellungen in
Österreich, Deutschland, Schweiz, Frankreich, Nord- und Südamerika
verzeichnet, mehrfach war sie auch in Batschuns zu Gast. 1984
verstarb die Mutter - eine Zäsur im Leben von Anne Marie Jehle. Mit
ihrer Abreise in die USA 1990 bricht ihr künstlerisches Werk
urplötzlich ab. 1993 kehrt sie nach Liechtenstein zurück, wo sie im
Herbst 2000 im Alter von 63 Jahren stirbt.
Komplexes êuvre
Das an Jahren zwar kurze, an Einflüssen und
Ausdrucksformen aber ungewöhnlich reiche und äußerst komplexe êuvre
bewegt sich scheinbar spielerisch zwischen Fluxus und Arte Povera,
zwischen Objektkunst und Materialbild, zwischen Konzeptkunst und
inszenierter Installation.
Dass es der Künstlerin mehr als ernst war, mit der Kunst und vor
allem mit sich selbst, beweist ihre über die Jahre als
Spurensicherung und an sich selbst betriebene Auseinandersetzung.
Selbstbilder als ganz unmittelbare Polaroids, aber auch Collagen und
Übermalungen zeugen davon. Auch thematisch war ihr Spektrum breit
gefächert. Es reichte von den Dingen des Alltags und ihrem ganz
besonderen Blick darauf zu den Fragen des Frauseins. Es erfasste den
Materialismus ihrer Zeit in seiner ganzen Ambivalenz, in einer sehr
direkten, aber auch zarten Bildsprache, oder betrieb, in einen
gestrickten Kinderfäustling eingearbeitete,
Vergangenheitsbewältigung.
Grenzgängerin
"Anne Marie Jehle verstand Kunst nicht als akademische
Auseinandersetzung, für sie war der bewegte und vielleicht bewegende
Prozess zwischen Innen und Außen entscheidend", so Peppi Hanser, der
in der Rolle des Verwalters des Bild- und Werkmaterials von Jehle
auch die Ausstellung in Batschuns kuratiert hat.
Diese so genannte "Kleine Retrospektive" vermag in ihrer enormen
Viel- und Kleinteiligkeit und den environmentartigen
Zusammenstellungen wohl einen vagen Eindruck davon vermitteln, wie
sich die Situation in dem Haus der Künstlerin in Feldkirch- Tisis
nach ihrem Tod dargestellt hat. Dokumentiert wird sie in den
Fotoarbeiten von Nikolaus Walter. Klein kann im Bezug auf das
Gesehene, ungemein faszinierende und berührende Werk aber nur das
eine heißen; dass es sich bei dem Gezeigten um eine Auswahl handelt,
die als solche gespannt macht auf mehr Entdeckungen.
Eine Ausstellung verschafft Einblick in das reichhaltige
künstlerische Schaffen der Vorarlbergerin Anne Marie Jehle.
"Eine kleine Retrospektive" mit Arbeiten von Anne Marie Jehle ist
im Bildungshaus Batschuns noch bis 20. Dezember sowie vom 3. bis 25.
Jänner zu sehen, geöffnet Montag bis Samstag 8 bis 18 Uhr.