Vaduz
(VN-ag) 1951 in Japan geboren, lebt Leiko Ikemura
seit fast dreißig Jahren in Europa. Die Auseinandersetzung mit den
Bildwelten dieser a priori so verschiedenen Kulturräume kennzeichnet
das künstlerische Werk von Leiko Ikemura nachhaltig. Als Reisende
zwischen den Welten zeigt sie im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz
ihr neues Projekt "Ozean".
Schon früh entschied sich Leiko Ikemura für ein Leben in
Europa. "Fremdheit" ist ihr auch über die Jahre ein wesentliches
Gefühl geblieben. Dem in Spanien begonnenen Studium der Sprache und
Literatur folgte ein Kunststudium und die Zeichnung als bevorzugtes
Ausdrucksmittel. Ausgehend von ihrem "Gefühl, dass man eigentlich
nur ein Besucher ist auf dieser Welt", lebt die Künstlerin
"mittlerweile mit der Wurzellosigkeit und versuche, darin Gutes zu
sehen. Das Eigene entwickelt sich hoffentlich in der Berührung mit
dem Fremden."
Resümee und Vorausschau
35 Arbeiten, neue atmosphärische Gemälde, Aquarelle und
Plastiken zählt die für Vaduz entwickelte Ausstellung "Ozean - ein
Projekt". Wiederum in einer veränderten Raumkonzeption, umgeben von
dialogstiftenden Werken aus der permanenten Sammlung, bilden drei
großformatige Gemälde den Kern von "Ozean". Auf zwei von ihnen
finden sich mädchenhafte Gestalten, geisterhaft, wie schwebend, in
aufgelösten Umrissen durch Licht moduliert und dem Dunkel des Raumes
entgrenzt, während horizontale Farbverläufe das dritte, fast
schwarze Bild bestimmen.
Gekennzeichnet durch den dünnflüssigen Farbauftrag, die grobe
Leinwandstruktur und eine ungemeine Bildtiefe in Zusammenschau mit
der Transzendenz und Transparenz erzeugenden Lichtführung sind diese
neuen Arbeiten Resümee und Vorausschau zugleich. Raum wird über
seine physikalischen Dimensionen hinaus zur metaphysischen
Erfahrung, zu einem Tiefenraum, in dem die Grenzen fließen.
Verkörpert wird dieses kosmische Weltgefühl im zentralen Motiv des
Horizonts, in dieser sichtbaren und doch nicht existenten Linie, im
scheinbaren Aufeinandertreffen von Himmel und Erde, die den
Betrachter förmlich in sich aufzusaugen scheint.
Lichtstreifen
Ikemura: "Der Horizont, dieser herrliche Lichtstreifen,
ist eine Illusion von etwas Jenseitigem, eines anderen Teils von mir
mit einer so starken Erwartung des Andersartigen. Obwohl der Raum
unendlich ist, existieren Linien in unserem visuellen Leben. (. . .)
Vielleicht sind wir in der Dunkelheit nicht abgeschnitten, sondern
umhüllt von diesem Lichtband. (. . .) Das Schwarz ist also das
Andersartige, in das wir jede Nacht hineinschlafen. Im Dunkel des
Nichts gibt es keine Entfernung. Wir gleiten durch den Horizont,
ohne es zu wissen." Im aufgeladenen Raum der Annäherung zweier
Elemente, wo sich das Verhaftet-Sein mit der Erde und die
Unendlichkeit des Himmels berühren, spielen sich die Arbeiten von
Leiko Ikemura ab. Exemplarisch: Eine "Fliegende in Blau" könnte
genauso gut auch eine "Liegende" sein, und ein labiles Gleichgewicht
kennzeichnet auch die stehend-hockenden Plastiken der Künstlerin,
die einen materialgewordenen, sinnlichen Gegenpol zur Malerei
verkörpern.