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Austellung Essl Museum: "Los geht's, Indien"

29.08.2009 | 18:19 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Der nächste Hype? Am Dienstag eröffnet das Essl Museum »Chalo!«, eine Ausstellung mit aktueller Kunst aus Indien. Wir trafen den Sammler Karlheinz Essl davor beim Inder.

Herr Essl, gehen Sie eigentlich gerne indisch essen? Oder ist das eher eine Qual für Sie?

Karlheinz Essl: Ich esse sehr gerne scharf, in Wien waren wir aber noch nie indisch essen. Obwohl ich es bei meinen Indienreisen geliebt habe. Da habe ich einen indischen Papierindustriellen kennengelernt, der außerhalb von Neu-Delhi eine riesige Ranch gekauft hat, in die er eine Art Museumslandschaft gebaut hat. Dort haben Künstler die Möglichkeit zu arbeiten, Gudrun Kampl habe ich etwa dort getroffen. Er hat uns dann ein Essen bereitet, im Garten, ein großes Buffet – alles vegetarisch, es war sensationell. Aber meine Indienreisen waren immer sensationell, ich bin mit sehr interessanten Leuten zusammengekommen.

So haben Sie ja auch einen der großen indischen Kunstsammler kennengelernt – den Essl von Indien sozusagen?

Vielleicht, ja. (Lacht.) So vieles passiert ja aus reinen Zufälligkeiten heraus: Wir haben vor einigen Jahren den europäischen Preis für ein Familienunternehmen bekommen. Der Präsident dieser Organisation ist Inder, über ihn haben wir dann Kontakt zu dem Sammler Anupam Poddar bekommen, der das erste Privatmuseum in Delhi gebaut hat. Er lebt in einem riesigen Areal außerhalb der Stadt, wo die reichsten Familien Indiens wohnen. Sein Haus in schlichtem Bauhaus-Stil ist ein Museum – sogar wenn er in der Badewanne liegt, hat er ein Video von einem Künstler laufen, im Wohnzimmer steht ein Iglu aus getrockneten Kuhfladen, womit sonst geheizt wird. Darauf wird ebenfalls ein Video projiziert. Wie ich das, die wichtigste indische Kunst, auf einem Fleck zusammen gesehen habe, war mir klar – die will ich zeigen. Das war der Auslöser. Sonst gibt es ja nirgends die Möglichkeit, diese Kunst so komprimiert zu sehen – ein Museum gibt es nicht, man muss von einem Atelier zum anderen gehen.

 

Wie leben die Künstler? In China, dem vorigen Länderhype am Kunstmarkt, sind Künstler ja in kürzester Zeit unermesslich reich geworden, betreiben ganze Restaurantketten etc.

Das ist in Indien noch nicht so. Wir haben zwar einen traditionellen Künstler besucht, der hatte ein Riesenanwesen. Die Jüngeren leben aber meist in einfachen Wohnungen.

 

Können die Jüngeren von der Kunst leben?

Ja, aber nicht von indischen Sammlern. Interessant ist, dass indische Kunst nicht so stark von Amerikanern gekauft wird, sondern mehr von Europäern.

 

Der Hype um indische Kunst – Preise in Millionenhöhe, eigene Auktionen am internationalen Markt – ist unglaublich schnell entstanden in den vergangenen fünf, zehn Jahren. Wie erklären Sie sich das?

Durch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, vor allem aber durch die Globalisierung und die Vernetzung. Daraus entstand eine völlig neue Kunst, ganz anders als die traditionelle, die Szenen aus dem Hinduismus über Jahrhunderte nur mit geringen Veränderungen wiederholte.

 

Der Generationenkonflikt muss brutal sein.

Ja, aber das Schlimmste ist, dass die Bevölkerung selbst die neue Kunst nicht wahrnimmt. Das ist ein Zirkel von Eliten, der sich damit auseinandersetzt. Das ist noch viel elitärer als bei uns.

 

In dem einzigen staatlichen Museum für moderne Kunst in Delhi hat das Essl-Museum 1996 einmal ausgestellt.

Wir haben im Millenniumsjahr 1996 dort eine Österreich-Ausstellung gezeigt, die Leute können sich noch heute daran erinnern. Die Eröffnungszeremonie damals war wunderschön: Enlightning hieß das, es war ganz traditionell, mit Kerzen, Räucherwerk, Musik.

 

Und dazu Hermann Nitsch, das klingt interessant. Werden Sie so eine Eröffnungszeremonie auch zu Ihrer Ausstellung machen?

Nein, dafür bräuchten wir einen Zeremonienmeister. Aber am ungewöhnlich großen Interesse an der Eröffnung merke ich schon jetzt, dass diese Ausstellung erfolgreich wird: Wir brauchen diesmal nicht nur einen Shuttlebus von Wien nach Klosterneuburg wie sonst, sondern vier! Indien liegt eben einfach in der Luft – durch den Erfolg von Bollywood, die Sehnsucht nach dem Exotischen, dem Spirituellen.

 

So das Klischee. Die harten Seiten des indischen Lebens, wie in Aravind Adigars Buch „Der weiße Tiger“ beschrieben, gehen in diesem ganzen Rambazamba oft unter.

Ich kenne das Buch nicht. Aber die Armut ist wirklich schwer zu verkraften, vor allem die Bettler. Noch dazu gibt es eine Mafia, die den Versehrten das Geld wegnimmt. Es kommt sogar vor, dass Kinder zu Krüppeln geschlagen werden, um Mitleid zu erwecken. Unglaublich ist auch der Verkehr, dieses Chaos. Jeder fährt rechts, links, mit Karacho aufeinander zu – wer die Nerven verliert oder das kleinere Auto hat, gibt im letzten Moment auf. Den Verkehr sehe ich in Relation zur allgemeinen Lebensorganisation: Es ist alles chaotisch. Es gibt keine Aufzeichnungen, keine Dokumentationen, Termine sind nicht so wichtig – bis zum Schluss. Dann funktioniert doch noch alles. Das Chaotische hat offensichtlich ein System, das wir mit unserer rationalen Denke nicht durchschauen.

 

Ihr Lieblingswerk in der vom japanischen Mori-Museum übernommenen Ausstellung beschäftigt sich eher mit dem Flugverkehr, lässt an 9/11 denken.

Ja, die Installation von Nataraj Sharma: Metallkäfige sind wie zu einem Wolkenkratzer aufgebaut, darin sind Flugzeuge montiert.

 

Nicht unbedingt das, was man sich unter indischer Kunst vorstellt.

Nein, aber mich interessiert sowieso schon mehr die nächste Künstlergeneration. Nicht so sehr die Creme de la Creme, die in dieser Ausstellung zu sehen ist, die international Furore macht. Die Jungen sind stärker von der Tradition gelöst. Die meisten in der Ausstellung haben noch eindeutig Beziehung zur indischen Kultur.

Was war Ihr erstes indisches Werk, das Sie gekauft haben?

Das war von Subodh Gupta, vor zwei, drei Jahren.

 

Also gleich vom Star unter den neuen Indern, dessen Totenkopf aus Blechgeschirr in Venedig vor dem Palazzo Grassi stand.

Ja, aber ich habe keine Skulptur von ihm, sondern Malerei, ein Bild dieser Blechschüsseln. Mittlerweile haben wir schon 30 indische Künstler in unserer Sammlung und ich werde auch aus der Ausstellung etwas erwerben. Aber das soll eine Überraschung werden, es wird eine kleine Landmark.


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