Blonde Perücke, ein verräterisches Pflaster über der operierten Nase und eine dicke, rosa Kaugummiblase, die frech aus dem Mund qillt. Ein Auto voller ausgelassener Mädchen, modisch herausgeputzt für eine Samstagnacht voller Action. Die ungewöhnlichen Fotoserien Shirin Aliabadis von pubertierenden Teenie-Girlies in Teheran gingen um die Welt. Schließlich zeigen sie nicht unbedingt das Bild, das man sich von iranischen Mädchen bisher gemacht hat. Sondern ein deutlich realistischeres, meint die Mittdreißigerin, Die düsteren Klischees der verschleierten, unterdrückten Frau, mit denen eine ganze Generation von Exiliranern sich vom „westlichen“ Kunstbetrieb feiern ließen, findet sie unerträglich.
Aliabadi sitzt mit ihrem Laptop im Garten vor dem Kunstraum der Deutschen Bank in Salzburg, in dem der Galerist Thaddaeus Ropac zur Festspielzeit den Kunsttrend der Stunde präsentiert – junge Kunst aus dem Iran. In wenigen Stunden geht es für die Künstlerin wieder zurück nach Teheran, wo sie geboren ist, und wo sie nach einem Geschichtestudium in Paris auch wieder lebt.
Anders als einige ihrer Kollegen. Wegen der internationalen Aufmerksamkeit, die ihre offen gesellschaftskritische Kunst durch Ausstellungen heuer in der Saatchi-Galerie in London und durch die erste Iran-Ausstellung von Ropac in Paris dieses Frühjahr erregte, ist ihnen eine Rückkehr in die Heimat nicht mehr möglich. Die Maler Ramin und Rokni Haerizadeh etwa leben seither in Dubai. Betrachtet man ihre Bilder in Salzburg, schwant einem der Grund: Ramin zum Beispiel zeigt sich selbst in seinen Collagen als Mullah, mit gespreizten Beinen, mit Stöckelschuhen, darüber die geknickte iranische Fahne.
„Uns war die Verantwortung anfangs noch nicht so bewusst“, gesteht Ropac auch Fehler ein. Bei einer Podiumsdiskussion in Dubai habe er Rokni etwa zu offen über die politische Lage befragt. Heute ist er vorsichtiger: „Es ist unfair, die Künstler dauernd über die Situation zu befragen, wir bringen sie leicht damit in Gefahr.“
Eine andere Künstlerin, Shirin Fakhim, schaffte gerade noch
rechtzeitig nach der Pariser Ausstellung die Rückkehr, ist seitdem aber
im Iran untergetaucht, so Ropac. Er zeigt von ihr eine goldene Vase,
aus der ausgestopfte Frauenbeine mit Stöckelschuhen ragen, wie ein
welker Blumenstrauß. Sie bezieht sich dabei explizit auf etwas, was es
offiziell im Iran gar nicht gibt, die Prostitution. Seit dieses Werk
bekannt ist, sei es unmöglich, im Iran eine Transportfirma für Fakhims
Arbeiten zu bekommen, erzählt der Galerist.
Seit einem Jahr
schwierig für Künstler.Vor einem Jahr noch hatten bildende Künstler im
Vergleich zu den viel stärker beobachteten Filmschaffenden noch
Narrenfreiheit in Teheran. Seit aber der Iran das neue It-Land auf dem
Kunstmarkt ist, seit „alle“ nach Teheran pilgern, ist das Regime
aufmerksamer geworden, bestätigt auch Shirin Aliabadi. Bisher fand sie
es allerdings „sehr interessant“, gerade in diesem System zu arbeiten.
„Es macht doch viel mehr Spaß, die Dinge nicht direkt zu sagen“, findet
sie.
Sie kritisiert in ihren Arbeiten auch nicht die Zustände, sie korrigiert eher westliche Klischees über ihre Heimat, macht auf kulturelle Entwicklungen aufmerksam, die man nicht vermuten würde. Zur Hochzeit etwa lassen sich Bräute von professionellen „Gesichtsmalern“ unglaublich fantasievolles Make-up verpassen, einen ganzen Tag kann eine solche Verwandlung dauern. In zarten Buntstiftzeichnungen von Augenpaaren zeigt Aliabadi einige dieser Entwürfe, manche sind tatsächliche Vorlagen, andere hat sie frei erfunden. „Pimp your eyes“, meint sie lachend zu diesem Trend, ironisch die MTV-Serie „Pimp My Car“ zitierend.
Aliabadi kann von ihrer Kunst in Teheran leben. Es gibt einige neue, junge Sammler, erzählt sie, die ernsthaft und leidenschaftlich sammeln. Die zwei Galerien, die jungen Künstlern Freiheiten gegeben hatten, wurden allerdings im Zuge der Unruhen geschlossen. Und bei Sammlern wurden laut Ropac Bilder der im Exil in Dubai lebenden Maler konfisziert.
„Wir haben nicht mit dieser plötzlichen Aufmerksamkeit gerechnet“, sagt Aliabadi, „es ist sicher schwerer geworden zu arbeiten.“ Ihre bekannte Fotoserie „Girls in Cars“ über die Mädchen, die am Abend in Autos durch die Gegend „cruisen“ und mit Jungs in anderen Fahrzeugen schäkern, könnte sie heute nicht mehr so einfach machen wie damals, am Ende der Khatami-Periode. Nicht, weil es dieses rege Sozialleben nicht mehr gebe, sagt sie. Sondern, weil sich niemand mehr gerne dabei fotografieren lässt.