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Kunstberichte

Das Mumok zeigt bis 18. Mai "Genau und anders. Mathematik in der Kunst von Dürer bis Sol LeWitt"

Kunstgötter als magische Quadrate

Dürers Stich „Melencolia I“.  Foto: Akad. d. bildenden Künste Wien

Dürers Stich „Melencolia I“. Foto: Akad. d. bildenden Künste Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Haben Kunst und Mathematik denn etwas gemeinsam? Solche Fragen entsetzter Kunstfans, die mit Zahlenästhetik auf Kriegsfuß stehen, können derzeit auf vier Ebenen im Mumok beantwortet werden.

Mathematik in der Kunst bedeutet nicht unbedingt Langeweile. Die mehr als 300 Werke beginnen mit Wenzel Jamnitzers Perspektiv-Regeln und enden im Minimalismus des Amerikaners Sol LeWitt und den ersten Beispielen von Computerkunst. Ein weit gestecktes Feld, das viel Neues zu bieten hat und didaktisch abwechslungsreich bis witzig gestaltet ist. Hauptkurator Wolfgang Drechsler ist bei der perfekten Hängung auch für Überraschungen gut. Als Berater hat er Wissenschafter mit Leidenschaft für das Konkrete in der Kunst zugezogen: Gabriele Werner und Dieter Bogner.

Alles neu bei Albrecht Dürers magischem Quadrat und seiner Trauernden mit schlafendem Hund auf dem Stich "Melencolia I"? Diese Magie ist eine der Vernunft. Auch wenn die Geometrie seit jeher als göttlich empfunden wurde, stehen auch andere Künstler rechnerischen Assoziationsketten näher als dem Okkulten oder Metaphysischen. Ob Paul Klee, Max Ernst, Josef Albers oder Juan Gris: Sie alle kannten Pythagoras, Leibniz und einige auch Einstein. Offenbar färben Kunst und Mathematik in einer "Ars combinatoria" aufeinander ab.

Erstmals ausgestellt sind alte Druckstöcke aus dem Umkreis Dürers, die erst kürzlich in der Albertina aufgetaucht sind. Sie wurden offenbar in der früheren akademischen Druckerlehre verwendet – als mathematisches Thema in unzähligen Variationen. So modern wirkt dieser Depotfund aus dem 16. Jahrhundert, dass einem die Renaissance unvermutet nahe rückt. Aber auch Plastiken des 20. Jahrhunderts, von Antoine Pevsner bis Stanislav Kolibal, setzen den antiken wissenschaftlichen Ansatz von Maß und Zahl fort.

Folgenreiches Quadrat

Das Quadrat ist mit ausufernden Folgen bis heute präsent, seit Kasimir Malewitsch 1915 die Ur-Ikone des "schwarzen Quadrats auf weißem Grund" gemalt hat. Klee hat es 1935 zur braunen Vogelscheuche aufgeweicht und Albers verdreifacht bunt variiert.

Die Gruppe Irwin trug 1992 am Roten Platz in Moskau auf zehn mal zehn Metern schwarze Farbe auf, Peter Weibel spannte ein "gequältes Quadrat" in Gummischnur zwischen Gläser, und Heinz Gappmayr sowie Friedrich Achleitner sind die Spezialisten von Buchstabenquadraten. Da wird buchstäblich aus dem Wort "Quadrat" in sieben Reihen, schräg ins Blatt geschrieben, wieder die geometrische Form.

Nicht zuletzt gibt es aber auch Poetinnen wie Hildegard Joos oder Gerlinde Wurth, die "narrative Geometrismen" und ganze zarte Quadratnetze erfinden. Der Liebe zu mathematischen Strukturen sind hier keine Grenzen gesetzt.

Genau und anders

Mathematik in der Kunst

von Dürer bis Sol LeWitt

Wolfgang Drechlser

(Kurator)

Mumok

Bis 18. Mai

Freitag, 14. März 2008

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