In der Kirche zu schmatzen oder gar an Ort und Stelle zuzunehmen
(womöglich gleich ein ganzes Kilo), wäre ein arges Sakrileg.
Wahrscheinlich die achte oder neunte Todsünde. Ein Gotteshaus ist
schließlich kein Wirtshaus.
Deshalb wird es auch nie passieren, dass
dort vorne auf dem einzigen brauchbaren Tisch ein Priester (eventuell mit
der Haube eines Kochs auf dem Kopf) viele, viele Schnitzel brutzelt und
die Ministranten dann wie Kellnerinnen das ordinäre weltliche Essen zu den
Gläubigen bringen. Weil man es tunlichst vermeiden soll, bei der Heiligen
Kommunion satt zu werden.
Entsagungsvoll soll man speisen und nicht mehr Kalorien zu sich nehmen
als mit einem unschuldigen Atemzug. Die vermeintlich fade Hostie hat
nämlich einen religiösen Nährwert und keinen magentauglichen. Die labt die
Seele und regt nicht den profanen Speichelfluss an wie ein Kartoffelchip,
der uns immer wieder zum Chipssackerl treibt und dem wir schon nach dem
ersten Knabbern hörig sind (wegen dem süchtig machenden
Natriumglutamat).
Galerie Hofstätter: Beim Heurigen
Dass es in der Kirche nicht nach Pfannenfett riecht und das Abendmahl
nicht in ein Eucharistiegelage ausartet, daran kann auch der Heinz Cibulka
nichts ändern, der doch so gern Wiener Schnitzel macht und die Leute
bewirtet und ihren Verdauungsapparat anstachelt. Wie etwa 1976 bei seiner
Aktion „Metabolismus“ mit einer von ihm persönlich in Öl herausgebackenen
Atzung.
Der Stoffwechsel ist für ihn ohnedies ein Sakrament, das Mysterium der
Wandlung, die sich geheimnisvoll im Organismus vollzieht, wenn der Leib
das Schnitzel assimiliert oder wieder nach außen abgibt, unkenntlich wie
formlose Urmaterie, die aber zu allen Schandtaten bereit ist.
Und sie prosteten sich aus dem Stegreif zu
Einmal hat der Cibulka, der sich zum Heurigen hingezogen fühlt (zum
profanen Gegenstück zur Abendmahlsfeier, wo das Essen noch so bodenständig
ist, dass es nicht von einem Windhauch verblasen wird), sich gar in
Stammersdorf einen ganzen Heurigen ausgeborgt und nach Graz umgesiedelt
(zumindest ein paar Holztische und Bänke) und ließ von den
Ausstellungsbesuchern quasi das Phänomen „der Heurige“ aus dem Stegreif
aufführen. Mit Hilfe von Dopplern und dergleichen. Gewissermaßen um durch
Zuprosten und andere Geselligkeitsbezeigungen die stummen Fotos an der
Wand zu synchronisieren, auf denen viel gekaut und geschluckt wurde.
(Für die, die’ s nicht wissen: Der Heurige ist jener Ort, wo die
Transsubstantiation von Wein in Rausch stattfindet und wo Wienerlieder auf
lallenden, störrischen Zungen reiten und Mühe haben, nicht abgeworfen zu
werden. Die Wienerische Abart des nordamerikanischen Rodeoritts.)
Wer
gar nie wissen wollte, was der Heinz Cibulka in den siebziger Jahren
getrieben hat (weil er wie ich der Mär aufgesessen ist, dass der eh immer
nur fotografiert und also mit den Augen schaut und nicht so einer ist, der
alles angreifen muss wie der Nitsch, dieser Darmgrapscher), der muss
unbedingt in die Galerie Hofstätter. Um dem Mr. Hyde vom HC zu begegnen.
Der ist nämlich ein Wiener Aktionist. Momenterl. Das sind doch diese
Männer in seriösen, dunklen Anzügen, die nicht die geringsten
Tischmanieren haben. Ja, aber der HC ist vielleicht der einzige von denen,
der damals schon mit Messer und Gabel gegessen hat. Und er ist ein
orthodoxer Schnitzelpanierer. Er deckt nicht wie dereinst der Muehl
nackerte Hinterteile mit Mehl, Ei und Bröseln zu.
Er ist halt wirklich kein Fastenideologe
Kochen wird beim HC zur kultischen Handlung. Eine Speise zu salzen hat
ja tatsächlich etwas von einer Taufe. Die Ikonen dafür hat er auch
gemacht, mit Küchentechnologie (mit dem Nudelwalker): Tafelbilder mit
Beteiligung von ausgewalktem Teig. Leider hat er sie nicht mit
Insektenschutzmittel eingeschmiert. HC: „Ein Restaurator hat sich jetzt
damit beschäftigt. Dass die Tiere endlich ausziehen aus diesen
Bildern.“
Überall der Hauch des Religiösen, die naiv fromme Verehrung des Lebens
und Essens vor dem Tod. (Und ich bin davon überzeugt, dass die Schnitzerln
einen Heiligenschein hatten.) Die streng mit Natur- und Kultursubstanzen
eingerichteten Materialkästen: Andachtsbehälter. Das Tuch, das er unter
einen Holunderstrauch gelegt hat und auf dem die herabfallenden Beeren
Spuren hinterlassen haben, möchte man „das Grabtuch vom Bisamberg“ nennen.
Obst ist ja auch unsterblich. Das geht in den „großen Stoffwechsel“ ein,
in dem nichts verloren geht (in die Verdauung der Natur, die bekanntlich
einen Saumagen hat).
Zwei Einmachgläser verkünden statt „Kompott“ provokant: „Kompost.“
Jahrgang 1977. Eher Reliquien als bloße Aktionsrelikte. Denn
kompostfürchtig ist der HC ebenfalls, der Stadtflüchtling, der Wiener im
Weinviertel. Die braune Substanz ist ja eine Sensation für den
Asphaltmenschen, der seinen biologischen Abfall verschämt in neutralen
Plastiksackerln in die Biotonne wirft und die Apfelbutzen und welken
Salatblätter verstößt. Nicht so der HC. Der baut noch heute in
zeremonieller Langsamkeit anmutige Komposthaufen vor Publikum („Da muss ma
aufpassen, dass es einigermaßen ästhetisch bleibt und nicht nur agrarisch
sinnvoll is“).
Der Mr. Hyde vom Cibulka ist also ein Zurückhaltender (und kein
Choleriker), aus dessen Sturm-und-Drang-Zeit angenehm beherrschte und
sinnvolle (und geradezu sakrale) Dinge übriggeblieben sind.
Galerie Exner: Blicke wie Blumen pflücken
Beim Josef Mikl alles beim Alten. Ungegenständliche Bilder, die so tun,
als wären sie gar nicht abstrakt, und die in ihren Pinselgesten unbedingt
Andeutungen von Menschlichkeit unterbringen müssen. Man fragt sich
natürlich, wieso sich die Gestalten, die doch eh eine bloße Formalität
sind, ausgerechnet als Menschen ausgeben müssen.
Ansonsten sind die Bilder schonungslos gelungen. Gefestigt im Aufbau,
kein geschwätziger Pinsel und sie haben trotz der Dynamik eine innere Ruhe
und Harmonie. Und dann dieses deftige Gelb, das die Blicke aus den
Gesichtern pflückt und nicht mehr hergeben will. Also eh alles bestens.
Trotzdem hab’ ich eher ein Faible für Mikls vergleichsweise blasse
Stillleben, wo sich die Gegenstände zu einem souverän nonchalanten
Kritzikratzi verdichten.
Quer durch die Galerien
Galerie Hofstätter
(Bräunerstraße 7)
Heinz Cibulka.
Aktionsrelikte und Materialbilder.
Bis 24. Dezember
Di. bis Fr. 12
bis 18 Uhr
Sa. 10 bis 14 Uhr
Galerie Wolfgang Exner
(Rauhensteingasse 12)
Josef Mikl. Neue
Arbeiten.
Bis 9. Jänner 2006
Mo. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11
bis 17 Uhr
Freitag, 16. Dezember
2005