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14.02.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
In der Wartehalle der Jetzt-Zeit
Zwischen dem Glamour des Filmfestivals und dem Beginn der spektakulären Schau des New Yorker Museums of Modern Art positioniert sich Berlin mit einer Biennale auch in der zeitgenössischen Kunst.

E
s ist noch gar nicht lange her, da versuchte die "Berlin Biennale" auf finanziell völlig wackligen Füßen erste Schritte in die Zukunft. Chaotisch, multikulturell und laut zeigte sie sich bei ihrem ersten Auftritt 1998 im Postfuhramt Berlin Mitte. Jetzt ist sie sechs Jahre alt, wird aus öffentlichen Töpfen genährt und ist ruhiger, um nicht zu sagen brav geworden. Jetzt wurde sie sogar in die hohen Hallen des Martin Gropius Baus eingeladen.

Mit großem Pomp wurde am Donnerstag die dritte, heuer von Ute Meta Bauer kuratierte Berlin Biennale eröffnet. An drei Orten - in den Kunstwerken an der Auguststrasse, im Kino Arsenal und im Gropius Bau - will die bisher smarteste Ausgabe der Biennale internationale Hauptstadtkunst ausloten. Was in und mit Berlin als Ort junger Kunstdiskurse passiert, wie sich an der Schnittstelle zwischen Ost und West künstlerische Auseinandersetzung artikuliert, wie hier Kunst als Kommunikation über Gegenwart in unterschiedlichen Sprachen verstanden wird - das sind Fragen, denen Ute Meta Bauer nachgehen will.

In fünf "hubs" genannten Einschüben werden "Migration", "Urbane Konditionen", "Sonische Landschaften", "Moden und Szenen" sowie "Anderes Kino" behandelt. Ein Aufwand, der in der Ausstellung selbst mehr verwirrt als klärt. So wirken diese Topoi der internationalen Jetzt-Szene nicht wirklich ortsspezifisch - das will die Berlin Biennale aber dezidiert sein. Themen wie Armut, Kommerz, Repräsentation verankern sich auch, aber nicht nur in Berlin.

Interessant erscheint vielmehr, wie sehr die Ausstellung Phänomene medialer Auseinandersetzung aus Sicht der Frauen nach vorne bringt. So tritt die Norwegerin Maria Bustnes mit "The Girl Band Project" auf. 15-jährige Mädchen leiern als seltsam desinteressierte Pop-Band vor laufender Kamera einen Rolling Stones Song herunter. Lieber lassen sie sich in Einzel-Interviews darüber aus, was Mädchen heute motiviert, knallharte Hits nachzuspielen.

Constanze Ruhm, in Wien lebende Künstlerin und Kuratorin, sucht Muster weiblicher Identität in Scripts der Medienwelt. Sie hat Drehbücher und Computerprogramme nach typischen Frauenrollen durchforstet. "RE:(hers)AL" heißt ihre neueste Videoarbeit. Statt über Frauen zu erzählen, lässt auch sie die Protagonistinnen selbst zu Wort kommen: Sieben Personen sitzen in der Wartehalle eines Flughafens. Auf der Suche nach Identität präsentieren sie ihre Traumrollen, deren Texte auf Internet-Chats von Frauen aus sechs Städten basieren.

Auch dem "dokumenta"-erprobten Künstlerpaar Nomeda und Gediminas Urbonas aus Vilnius geht es in einer interaktiven Multimedia-Installation um die Frage, wie das Frausein - in diesem Fall in der litauischen Gesellschaft - konstruiert wird. Regina Möller ist mit ihrer kommerziellen Anti-Mode vertreten und zeigt die Rolle der Frau zwischen Kunst und Alltag im Design aus Putzlappen und Geschirrtüchern. Nicht viele Beiträge sind so professionell wie die dreiteilige Splitscreen-Installation von Isaac Julien. Der Londoner Künstler machte sich auf die Spur von Actionfilm-Pionier Melvin Van Peebles, verfolgte mit der Kamera einen alternden Helden und eine Cyborg-Schönheit, um ästhetisch glatt verschiedene Filmgenres zu mischen, kritisch aufzubrechen.

Die Themen der 3. Berlin Biennale leben nicht von Subversion und Chaos, Sex, Crime und Emotion. Die Ausstellung gibt sich gut durchdacht, kalkuliert und sinnlich ausgewogen, wo Arbeiten nebeneinander zu sehen sind, die man riechen, sehen und hören kann. Im Ganzen aber ist sie so spannend wie ein interessanter Dokumentarbericht. Sie hat den Charme wohlfrisierter Ordnung. Statt außer Atem wirkt die Biennale diesmal ausgeruht, schön und ein wenig langweilig.

Bis 18. April. www.berlinbiennale.de

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