VON ARIANE GRABHER
Bregenz (VN) Dem Bahnhof und der urbanen
Verbauung an der Bregenzer Seestraße ist sie zum Opfer gefallen -
die freie Sicht auf den See. Mit fünf Landschaftsbildern und "see
sight" bespielt die in Wien lebende Künstlerin Alexandra Wacker die
Billboards des Kunsthauses und gibt dem Vorbeifahrenden den Blick
auf den See zumindest kurzfristig wieder frei.
Die klassischen Gattungen des Mediums Malerei bilden den
Kernpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung von Alexandra
Wacker. Menschen, Köpfe, Porträts, darunter häufig auch ihr eigenes,
beschäftigen die 1958 in Bregenz geborene Künstlerin seit ihrer
Studienzeit. Gelten ihr die psychisch aufgeladenen Porträts als Form
von Daseinserkundung, so ermalt sie sich in den parallel dazu
entstehenden Landschaften ihre Freiräume.
Vorgefertigte Bildwelten
Distanz und heruntergeschraubte Emotionen zwischen sich
und dem Motiv schafft sie sich über fotografische Vorlagen, die als
vorgefertigte Bildwelten einen ersten Schritt der Verfremdung
darstellen. So diente auch für die aktuellen Landschaftsbilder nicht
die Wirklichkeit, sondern ihre Erscheinung im Medium der Fotografie
als Grundlage. Genauer: ein während einer Fahrt von Lindau nach
Bregenz verknipster Film, der die Bregenzer Bucht zeigt.
Doch für "see sights", ihre erste Arbeit im öffentlichen Raum,
geht die Künstlerin noch einen Schritt weiter. Die in Ölmalerei
umgesetzten Bilder der fertigen Serie wurden für die Plakatwände
wiederum abfotografiert, was nicht nur verschiedene Medien und
Realitätsebenen miteinander konfrontiert, sondern auch eine völlig
neue, autonome Arbeit entstehen lässt. Wacker: "Drei Realitäten
treffen aufeinander: Die vorhandene Landschaft, die gemalte - also
meine - und die Fotografie des gemalten Bildes. Die Überlagerungen
schaffen Neu-Wahrnehmungen, machen sichtbar, was sonst als
Alltägliches nicht mehr wahrgenommen wird, beziehungsweise durch
urbane Verbauung nicht sichtbar ist." Dem Vielschichtigen der Arbeit
entspricht der Titel "see sight", eine kleine, doppeldeutige
Wortspielerei, die bewusst alle möglichen Deutungen von Aussicht bis
Sightseeing impliziert, das Sehen zugleich aber auch in Frage
stellt.
Bewegungsfluss
Während Alexandra Wacker die Billboards wieder in ihrer
ursprünglichen Funktion als Ausstellungsfläche bespielt, läuft im
Kunsthaus weiterhin die Präsentation mit Fotografien von Hiroshi
Sugimoto. Und während in den kontemplativen Bildern des Japaners die
Zeit gerinnt, rollt draußen an der Seestraße der Verkehr weiter. Den
Bewegungsfluss der an den Plakatwänden vorbeifahrenden Autos
parieren die ebenfalls in Bewegung aufgenommenen Landschaftsbilder
von Alexandra Wacker, deren horizontale Schichtungen höchstens von
einem aufragenden Baum durchbrochen werden, allerdings perfekt. Mit
ihrer leichten Verwischtheit und in dieser Vergrößerung wirken die
Arbeiten im Druck nicht nur sehr malerisch, es lassen sich darüber
hinaus auch einzelne Berührungspunkte zu den Werken von Sugimoto
ausmachen. Doch in ihren besten Momenten geraten die "see sights"
einfach zu "sea sights", wenn sich für einen kurzen Augenblick Bild
und Realität überlagern.
Arbeit aus der Serie "see sight" an der Bregenzer
Bahnhofstraße.
Alexandra Wacker