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Kunstberichte
Ausstellungen

Bandbreite des Hässlichen

Animalisch: "Bürohengst" von gelitin. Foto: Kunsthalle

Animalisch: "Bürohengst" von gelitin. Foto: Kunsthalle

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Das "forum frohner" in Krems-Stein wartet mit einem Thema auf, das Denk räume schafft – auch zum Jahreswechsel. Seit Karl Rosenkranz 1853 sein Buch "Die Ästhetik des Hässlichen" publiziert hat, ist in der Kunst ein Wechsel vom Prinzip des Schönen als einzig Wahrem zu seinem Gegenteil im Gang. In Krems werden die ästhetischen Normen der heutigen Generation mit Adolf Frohners Bild "Die Schaukel" (1973) verglichen: Darauf findet sich die für den Professor der Angewandten so typisch hässliche Unterdurchschnittsfrau in auswegloser Fesselung vor. Der Zusatztitel "Bindungen" ist ironisch – lenkt er doch kaum vom Thema der in unserer Gesellschaft verborgenen Perversionen ab.

Künstlerinnen wie Valie Export und Elke Krystufek verweisen ebenso wie Erwin Wurm und die Gruppe gelitin auf die enorme Palette von Aspekten des Hässlichen in der heutigen Kunst: Da geht es um Prothesen, Gut und Böse, die Konfrontation von Maschine und Mensch und schlicht um Kitsch und Kritik.

Nives Widauer wirft uns in die tiefsten heimatlichen Abgründe durch braunes Kochgeschirr der Nazizeit, das die Künstlerin in Form des Landes Österreich aufstapelt. Dazu begegnen sich an der Wand auch noch Hirsche im Kampf bei Sonnenuntergang. Widauers "Minor Catastrophie" ist deren Mutation zu Milchkühen mit prallem Euter.

Gewohnte Verstörung

Der "Bürohengst" von gelitin ist ein Spielzeugelefant als Sexprotz: Der Rüssel hat sich zwischen seine Beine verirrt, der Kleistertopf hinter der Chefsessellehne verheißt nichts Gutes. Valie Export lässt uns in ihren Schlund auf die Stimmritze blicken und zum Video schrille Töne hören; die Gesichter von Markus Schinwalds scheinbar Prominenten verbergen sich hinter bekleckerten Tüchern, und das fette Haus von Erwin Wurm spricht wie seine verzweifelten, gezeichneten Figuren von "Adorno and the burden of desperation".

Die Überlappung der Töne im Raum tut ein Übriges zum Gefühl der Verstörung. Allerdings: Die Frage, ob wir das Hässliche überhaupt noch wahrnehmen oder es nicht längst als Kunstkategorie akzeptieren, wird zu Recht von Kuratorin Andrea Winklbauer gestellt. Was werden Gegenwartskünstler gegen unsere Langeweile tun? Zum Schönen zurückkehren versuchte die jüngste Documenta – brachte aber kein Ende der "desperation".

In der Kunsthalle selbst ist bis Ende Jänner der Otto-Mauer-Preisträger 2009 in einer ersten Präsentation zu sehen: Siggi Hofers assoziative Reisen durch Welten und Medien ergeben mithilfe von Modellen und Kartografien einen eigenwilligen Kosmos.

Aufzählung Ausstellungen

Schönheit des Hässlichen

"forum frohner" in der Kunsthalle Krems bis 14. März

Siggi Hofer

Kunsthalle Krems bis 31. Jänner

Printausgabe vom Donnerstag, 31. Dezember 2009
Online seit: Mittwoch, 30. Dezember 2009 18:09:29

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