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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
17. Mai 2006
15:12 MESZ
Bis 17. September

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MAK 
Foto: 2006 Jenny Holzer, VBK, Vienna
Die Installationskünstlerin Jenny Holzer inszeniert Zitate von Elfriede Jelinek in der MAK-Ausstellungshalle.

Jenny Holzer: Spiele mit entlehnter Wortgewalt
In der Ausstellungshalle des Wiener MAK inszeniert die amerikanische Künstlerin Elfriede Jelinek ebenso knapp wie effizient

Wien - "das kinderl spritzt aus ihm heraus", und eine Teilbevölkerung des öffentlichen Raumes nimmt 2006 aus dem Chill-out-Kissen heraus Anteil an der treffend kurzen Wiedergabe des Zeugungsaktes. Jener Teil, der überhaupt ins Museum geht, jene, die die Holzer ebenso kennen wie die Jelinek.

Selbstredend toll inszeniert sind die wenigen Sätze, die Jenny Holzer aus Jelineks Material (Die Liebhaberinnen, 1975 und Die Ausgesperrten, 1980), aus dem zornigen Wortschwall isoliert hat. Wand-, boden- und flächendeckend ziehen die Fragmente gegenläufig an den Lungernden vorbei - und geben sich als selbstständige Romane.

"paula wurde zwar das genick gebrochen, doch" - der weitere Verlauf, die Vervollständigung des Kunstwerkes, bleibt dem in solchem mittlerweile sicher geschulten Publikum überlassen. Der geübte Betrachter denkt gar nicht erst weiter. Er lacht gleich. Fühlt sich schon aufgeklärt genug, ist ohnehin regelmäßig im Museum. Jelineks "und nicht immer ist es schön" klettert die Wände hoch, und Holzers super Projektion legt dem Besucher ein trotziges "Jetzt aber schon!" in den Mund - er insistiert zurück, kann sich gar nicht mehr aus seiner Welt reißen lassen, ist gar nicht mehr irritiert, hat Jelinek und Holzer längst assimiliert, aufgenommen und eingebaut in das Marken-Gerüst, das täglich seine individuelle Note betont.

Veteranen

Macht, Sexualität, Krieg, Gewalt, Femininismus, Tod, Medien, weiß er, allesamt ungemein wichtig. So etwas muss thematisiert werden, so etwas wird nicht zu Unrecht erforscht, so etwas ist immer interessant. Und die Jelinek und die Holzer, die sind da echte Pioniere, die haben da etwas vorgelegt, die meinen das auch heute nicht so ästhetisch, wie das nun einmal daherkommt.

So etwas muss man total historisch sehen, so etwas hat Relevanz und Vehemenz, so etwas ist mehr als hübsch. Auch wenn man sich in so etwas eben gerade ungemein geborgen fühlt. Und es eigentlich egal ist, ob die Gemeinplätze von Holzer selbst aufgesucht wurden oder von Elfriede Jelinek entlehnt sind, ob die angerissenen Minidramen nun wirklich weitergedacht werden oder schon die Freude genügt, dass die jeweils wenigen Wörter alle denkbaren Ausgänge beinhalten.

Einst waren Jenny Holzers Arbeiten an zufällig Passierende adressiert, kamen ihre Texte von strategisch gut platzierten Flächen im öffentlichen Raum, trafen ihre unterminierenden Botschaften, zündeten ihre Sprengsätze unvorhergesehen. Jetzt gehen die Passanten wieder ungestört daran vorbei, zeigen sich - ob im Museum oder im öffentlichen Raum - nicht weiter irritiert.

Die Form, die Jenny Holzer gefunden hat, um Fallen im alltäglichen Lauf der Dinge zu stellen, um Aufklärung in die Verklärungsmaschinerie zu schmuggeln, scheint erschöpft; egal welchen beziehungsweise wessen Inhalt sie transportiert.

Anzunehmen ist, dass die Passanten eher satter denn klüger geworden sind. Auszugehen ist auch davon, dass Intervention(skunst) 2006 so nötig ist wie Jahrzehnte davor. Vielleicht ist es an der Zeit für Jenny Holzer, Sätze nicht mehr aufwändig zu projizieren oder in Granit zu meißeln, einen Moment innezuhalten mit dem Hüllen in Edelstahl und teure Elektronik und einfach neue zu schreiben.

Es scheint, als hätte sie Installation für Installation das Vertrauen in die Macht der Sprache selbst verloren. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 5. 2006)


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