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27.05.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Porträt: "Ich gehöre nicht auf diesen Planeten"
VON ALMUTH SPIEGLER
Karel Appel, der große alte, rastlose Maler, weilt auf Besuch in Wien. Und schon ist er wieder weg.

Schwer sinkt Karel Appel in die weiße Couch in der Wiener Galerie Ulysses. Er ist müde, am Abend zuvor war hier die Eröffnung seiner aktuellen Ausstellung. Seine 83 Jahre scheinen körperlich wie Tonnen auf ihm zu lasten, wahrnehmen will er sie aber nicht - "Keine Ahnung, wie alt ich bin". Er lächelt. In den Gesprächspausen überlegt er wohl schon, wohin er morgen wieder fliegen will - ins Atelier in der Toskana? Nach New York? Zur Züricher Wohnung? Oder doch nach Amsterdam ins Studio? "Wissen Sie in Wien keinen Raum für mich?", fragt er auch noch.

Rastlos. Seit er mit 29 Jahren, mitten in den "CoBrA"-Jahren, seine Heimat Amsterdam Richtung Paris verlassen hat. Und zwar ziemlich sauer. Musste doch sein Wandbild im Rathaus auf Politiker-Befehl mit Tapete überkleistert werden. Die naiv-bunte Malerei war den Niederländern 1949 noch einen Skandal wert. Jetzt ist sie wieder freigelegt, sogar "hinter Glas" gestellt, murmelt Appel. Und der Schalk blitzt auf in seinen Augen. Heute will sich von Kunst niemand mehr so richtig schockieren lassen. Es gäbe auch keine revolutionäre Avantgarde mehr, meint er. Aber, wie auch immer. Das Heute mit seiner Kunst, den Kriegen, Armut und Hunger scheint ihn mehr zu frustrieren als zu interessieren - "Ich bin Maler", "Ich habe keine Zeit, ich muss malen", wiederholt er oft. Ein immer noch enorm drängender Schaffenswille, ein Assistent steht ihm zur Seite. Ob abstrakt oder mehr gegenständlich - da will er sich nicht festlegen, hat sich nie festlegen wollen - "Ich wechsle immer." Sein expressiver Stil scheint von der Stadt abzuhängen, in der er sich gerade befindet. In New York bleibt er näher an der Figur, fast möchte man sagen, es wirkt urbaner. In der Toskana und in Amsterdam überwiegen kräftige, spontane Farbkombinationen, vielleicht die Eindrücke der Landschaft, des Lichts. Appel kann sich diese Unterschiede selbst nicht erklären. Viel mehr beschäftigt ihn das Ende eines Bildes. "Niemand in der Kunstwelt kann einem sagen, wann ein Bild fertig ist. Nach einem Jahr nehme ich es wieder und sehe, dass es doch noch nicht fertig ist." Eigentlich sei es erst der Verkauf, der ein Bild für beendet erkläre.

In der Welt heute gehe es überhaupt nur mehr um das Geschäft, stellt Appel fest. Nicht um die Kunst, nicht um den Geist. "Die Leute sind nicht gebildet, haben kein Gefühl. Aber so war es immer schon." Immerhin würden wir in Europa in einem demokratischen System mit freier Wahl leben. "Aber was ist die Wahl? Große Fußballstadien! Das ist die Hauptsache heute." Ein abgeklärter Kulturpessimist. Karel Appel hüstelt. "Ich lebe auf einem Planeten, auf den ich nicht gehöre."

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