Auf Inhalte ausgerichtet

"Uns geht es nicht um Schönheit, um Formales, sondern um die Verbesserung des Zusammenlebens von Menschen", so Wolfgang Zinggl.


Anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Gruppe "WochenKlausur" hat Kristina Pfoser mit Begründer Wolfgang Zinggl ein Gespräch geführt.

Frage: Die Gruppe präsentiert gleich zwei neue Projekte zum 10-Jahre-Jubiläum: Das eine ist eine Werkstatt, bei der Drogenabhängige wieder Zugang zum Arbeitsmarkt finden sollen, sowie ein Projekt in Graz, das ein Veranstaltungsprogramm für geistig Behinderte anbietet. Ist das Kunst?

Wolfgang Zinggl / ©Bild: APA
Wolfgang Zinggl / ©Bild: APA

Zinggl: Mit dieser Frage sind wir bereits zehn Jahre konfrontiert. Und ich bin fast ein bisschen müde, sie zu beantworten. Kunst ist das, was Menschen untereinander als Kunst verstehen wollen. Das ist eine Vereinbarungssache.

Als wir 1993 ein Projekt in dieser Form eingerichtet haben, wo sich Kunst als Eingriff in die Wirklichkeit versteht, war es noch etwas relativ Neues. Mittlerweile meine ich, wird es zumindest im Kunst-Kontext von jenen Menschen, die täglich mit Kunst zu tun haben, nicht mehr in Frage gestellt. Das geschieht eher von Menschen, die noch dem traditionellen Kunstbegriff anhängen.

Frage: So etwas wie ein ästhetisches Relikt hat es aber doch immer gegeben. Was ist das ästhetische Ergebnis Ihrer Arbeit?

Zinggl: Wenn man von der Ästhetik als wichtigstes Kriterium in der Kunst ausgeht, dann ist es nicht verwunderlich, dass man dies in unserer Arbeit vergeblich sucht. Die traditionelle Kunst hat vor allem in der bildenden Kunst das Formale im Blickwinkel. Wir gehen davon weg. Der Aktionismus war hier eine Art Mittelding. Wir sagen, es gibt auch eine Gestaltung, die eben auf den Inhalt ausgerichtet ist.

Frage: Diese Arbeit bedingt, dass die Ergebnisse, weil sie eben nicht ausstellbar sind, gar nicht publik werden.

Zinggl: Das wird auch für uns zunehmend ein Problem. Vor allem jetzt, wo wir den Bonus des Neuen ein wenig verlieren. Aber ich sage: Na, und wenn schon. Es muss ja nicht immer alles im Sinne eines Spektakels stattfinden. Uns geht es um diese kleinen Verbesserungen. Je mehr wir auf diesem Sektor leisten, umso mehr sehen wir, dass es hier noch viel zu tun gibt. Und umso befriedigender ist es für uns.

Frage: Ein Blick zurück: In den vergangenen zehn Jahren wurden 17 Projekte - nicht nur in Österreich, sondern auch bei der Biennale in Venedig, in Schweden, in Mazedonien, in Japan, in Deutschland und in der Schweiz realisiert.

Zinggl: Sie haben die Mitvergangenheit verwendet, das ist schmerzlich. Aber viele der Projekte sind ja so angelegt, dass sie lange funktionieren. Zum Beispiel die Pension für drogensüchtige Prostituierte in Zürich hat bis vor zwei Jahren insgesamt acht Jahre funktioniert. Den Obdachlosen-Bus in Wien gibt es noch immer, auch die Sprachschulen in Mazedonien. Man darf hier nicht von einer kurzfristigen Aktion sprechen, sondern von einer Veränderung, die wir initialisieren und als Katalysatoren arbeiten. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es nur halb gelungen. Das ist meine Zwischenbilanz.

Frage: Das unterscheidet Ihre Arbeit von jener des Sozialarbeiters?

Zinggl: Richtig. Wir haben mit Sozialarbeitern von mehreren Aspekten her nicht viel gemein. Zunächst fehlt der Aspekt, immer an einem Thema dran zu bleiben. Das können und wollen wir nicht. Wir wollen immer eine neue Aufgabe, wo wir möglichst in einer anderen Stadt wieder recherchieren müssen und unsere ganze Energie investieren, damit sich etwas bewegt. Das soll dann möglichst von einer Trägerinstitution weitergeführt werden. Und wir arbeiten nicht mit irgendwelchen Klienten oder sind weisungsgebunden im Sinne eines Sozialarbeiters.

Frage: "Weg von der Kunst, hin zu gesellschaftspolitischen Aktivitäten" ist ja auch die Programmatik des "Depots", das Sie seit 1997 leiten. Diese Institution hat ja eine lange Geschichte. Erst im vergangenen Februar wurde die Schließung bekannt gegeben. Im März kam dann die vorläufige Rettung durch eine Sondersubvention durch die Stadt Wien. Wie geht es nun weiter?

Zinggl: Das "Depot" ist geschlossen. Die Subvention der Stadt Wien ist zuwenig, um aufsperren zu können. So froh ich über diese Hilfe auch bin. Aber wenn wir diese Mittel wieder investieren und damit Programm machen, dann haben wir im September wieder solche Probleme - und das wollen wir uns ersparen.

Wir sperren jetzt im September wieder auf und hoffen, dass der Bund doch auf die Idee kommt, hier etwas zuzuschießen, um einen längerfristigen Betrieb aufrecht erhalten zu können. Oder vielleicht sagt die Stadt Wien, dass es für nächstes Jahr eine doppelt so hohe Subvention gibt. Ich habe keine Ahnung. Aber jedenfalls wollen wir dann ab September bis Ende des Jahres Programm machen in der Hoffnung, dass wir auch anschließend weiterarbeiten können.

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