26.12.2002 18:56
Kopfsprünge, Kriege, Gebautes: Österreich im Bild
Die Fotosammlung der Österreichischen
Nationalbibliothek wirbt für sich mit einer Ausstellung
existierte bislang eher im Stillen. Eine Ausstellung
soll das jetzt ändern und das visuelle Gedächtnis des Landes ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit rücken. Auch in der Hoffnung auf Förderer.
Wien - Was in dieser Dimension kaum öffentlich bewusst ist: Gegenwärtig
umfassen die fotografischen Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek
etwa zwei Millionen historische und auch zeitgenössische Bilder. Darunter finden
sich beacht- liche 300.000 Vintage Prints, 800.000 Originalnegative - die
Mehrzahl davon auf Glasplatte. 27.000 Exponate sind Reproduktionsaufnahmen auf
Durchsichtfilmmaterial.
Buch und Ausstellung Im Blickpunkt geben
erstmals Einblick in die Qualität der Sammlung, belegen deren
Entwicklungsgeschichte und skizzieren den gegenwärtigen Forschungsstand. Wobei
"Blickpunkt" nicht nur den Fokus der Fotografen auf ihre Motive benennt, sondern
die Sammlung selbst in jenen einer breiteren Öffentlichkeit rücken will. Auch
deshalb, weil eine nachhaltige Konservierung dieser Schätze Summen verschlingt,
die das Budget allein nicht hergibt. Mit dem Hinweis, dass zweckgebundene
Spenden an die Fotosammlung der Nationalbibliothek steuerlich absetzbar sind,
wird daher um "Foto-Paten" geworben.
Begonnen hat die Sammlungsgeschichte
mit den Habsburgern. Die Kaiserfamilie begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts
Fotos zu sammeln und in ihre Familienbibliothek (Fideikommiss) einzubringen.
Diese wurde 1921 in die Nationalbibliothek integriert. 1939 wurde mit der
Gründung des "Bildarchivs" eine zentrale Bilddokumentationsstelle etabliert,
deren Tätigkeit ausschließlich im Sammeln von Negativen besteht. Den Kern der
Sammlung bilden bis heute nicht einzelne Spitzenwerke, sondern umfassende
Werkgruppen, die sich aus der Übernahme von Nachlässen, Archiven und privaten
Sammlungen ergaben.
Seit 2001 ist der Zettelkatalog - nach
Sachschlagwörtern, Autoren und Topografie gereiht - auch via Internet abrufbar.
Da die Aufgabe der Österreichischen Nationalbibliothek vorrangig der Wertung der
Bildinhalte gilt, die Bibliothek sich zudem - auch in ihrem Ausstellungsprogramm
- nicht als Museum der Künste versteht, spielen ästhetische Kriterien in der
Gliederung der Sammlung keine entscheidende Rolle. Vielmehr steht der Aspekt
"Speicher", die Anlage, Aufarbeitung und Fortführung eines kollektiven
Bildgedächtnisses an erster Stelle des Arbeitsprofils der
Fotosammlung.
Ein kurzer Parcours durch Buch und Präsentation könnte so
verlaufen: Von Ludwig Angerers Aufnahme Die Allerhöchste Kaiserfamilie
von 1859, über Madame d'Oras Porträts von Alban Berg oder Karl Kraus aus
1908/9 und Edwar J. Streiches zeitgleichem Vier-Farben-Halbtondruck Im
Hausboot oder Heinrich Kühns Studien auf Autochromplatten zu Lucca Chmels
stilbildenden S/W-Aufnahmen österreichischer Architektur der
60er-Jahre.
Und weiter mit den "Reportern" Erich Lessing, Harry Weber,
Friedrich Klinsky und Kurt Aigner hin zu Ansichten der Keimzellen der Wiener
Kunstszene. Barbara Pflaums Walter Pichler am Telefon (1973). Lisl
Ponger: Peter Patzak im Film His Bag von 1969. Die Tradition des
Künstlerporträts setzt Herbert Fidler mit einem Abbild des Zeitgenossen Edgar
Honetschläger fort - einem Digitaldruck auf Farbpapier.
Ein ganzes
Kapitel - "Dem Augenblick Dauer verleihen" - ist dem Sportfotografen Lothar
Rübelt gewidmet: Der Austria-Tormann Lohrmann küsst den Ball, Hans
Stuck auf Daimler oder das Titelbild des Buchs Mädy Epply und Sepp
Staudinger bei einem Doppelsprung vom 10-Meter-Turm. (DER STANDARD,
Printausgabe, 27.12.2002)