Seit 2007 gibt es das Projekt Brunnenpassage von der Caritas Wien am Yppenplatz
Die "Kunsthalle" Ottakrings
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Eine angehende DJane erlernt gerade in einem der Workshops ihr künftiges Handwerk. Foto: Weidinger
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Von Dagmar Weidinger
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Integration als aktive Teilhabe an der Kunst.
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Das Herzstück sind partizipative Eigenproduktionen.
Wien. Sesamringe
und frische Pfirsiche türmen sich in der Mitte des Tisches auf, wenn in
der Brunnenpassage das neue Programm für die Herbstsaison 2010
besprochen wird. Elif Coban, die administrative Kraft, die in der
Caritas-Institution alles zusammenhält, freut sich, die türkische
Gastfreundschaft auch in ihre Arbeit einbringen zu können. "Vielfalt
leben" ist hier nicht nur das Motto, sondern auch der Geist, der das
siebenköpfige Team zusammenhält.
Die Brunnenpassage, das ist eine große Halle mit Glaswänden an zwei
Seiten mitten auf dem Yppenplatz in Wien Ottakring. "Hier sollte
ursprünglich ein Kaufhaus entstehen", weiß Coban, von deren Cousine
Caritas-Chef Werner Binnenstein-Bachstein das Gebäude 2007 erwarb. Was
als kleines Projekt fast ohne finanzielle Mittel vor drei Jahren
begann, ist mittlerweile zur Institution geworden. Zielpublikum sind
die Bewohner des Brunnenviertels, knapp 7000 Personen, davon ein
Viertel mit Migrationserfahrung.
Die besondere Geschichte des Stadtteils, der sich vom
Arbeiterviertel zum Zuzugsgebiet für Migranten entwickelte, zieht schon
seit Jahren die Aufmerksamkeit der Kunstschaffenden auf sich. Massiv
aufgewertet wurde der beliebte interkulturelle Treffpunkt durch eine
Sanierung und seine neue lebendige Lokalszene.
Die Brunnenpassage versteht sich heute in erster Linie als
Kunstprojekt. Integration würde sich dabei von selbst ergeben, so die
Leiterin Anne Wiederhold. "Das Wort Integration verwende ich für die
allgemeine Teilhabe an Gesellschaft, Arbeit und Wohnen. Uns geht es
aber um viel mehr, nämlich um die Teilhabe an Kunst und Kultur." In
einer Kulturstadt wie Wien könne es nicht sein, dass manche Personen
noch nie im Burgtheater oder im Museumsquartier waren. "Wir wollen die
Leute rund um den Brunnenmarkt einladen, in Kunstwelten einzutauchen",
meint Wiederhold.
Alles gratis zugänglich
Die Veranstaltungen reichen von Musik über Tanz bis zu offenen
Erzählsessions – alles gratis, mit dem Zusatz "Pay as you can" im Sinne
sozialer Umverteilung. Während einzelne Programmpunkte zum spontanen
"Kommen und Mitmachen" einladen, setzt die Brunnenpassage dank einer
besseren finanziellen Lage im Herbst vor allem auf ihr "Herzstück",
partizipative Eigenproduktionen.
"Wir haben lange Zeit quasi ohne Geld Programm gemacht", berichtet
Coban über die Projektanfänge. "Heuer ist es zum ersten Mal so, dass
wir finanziell auf anderen Füßen stehen." Ab Mitte September wird das
Kunstprojekt deshalb auch mit einer eigenen Homepage online zu finden
sein. Mit Hilfe von Förderungen der Stadt Wien sowie von privaten
Sponsoren könne man sich mehr den nachhaltigen Formaten widmen.
Menschen können damit zukünftig mehr als einmal zusammenkommen, um
gemeinsam eine gesamte Produktion zu erarbeiten.
Eine davon wird das für den 16. und 17. Oktober angesetzte Stück
"Sing along Beatles", eine Kooperation mit dem Wiener Konzerthaus,
sein. Bei zwei öffentlichen Auftritten, einer in der Brunnenpassage und
einer im Mozartsaal des Konzerthauses, kann gemeinsam mit der Wiener
Singakademie zu "Get back" oder "All you need is love" gesungen werden.
Der vor drei Jahren gegründete Brunnenchor, bestehend aus zirka 70
Bewohnern unterschiedlichster Herkunft rund um den Brunnenmarkt, wird
die Aufführungen lautstark unterstützen.
Gemeinschaft im Chor
"Der Chor ist für jeden offen und deshalb ein gelebtes statement
gegen soziale Ausgrenzung", so Wiederhold. Veranstaltungen wie jene im
Konzerthaus würden sozial oder ökonomisch benachteiligte Gruppen vom
Rand in die Mitte der Gesellschaft einladen. "Beim ‚Sing Along‘ spüren
die Menschen mit dem Herzen, wie schön es ist, gemeinsam zu singen. Das
schafft positive Gemeinschaftserlebnisse", erklärt die Leiterin einen
wichtigen Teil des Konzepts.
Auch die 2009 gestartete DJane-Klasse, in der 20 junge Frauen
zwischen 16 und 30 ein halbes Jahr lang das DJ-Handwerk erlernten,
gehört zu den Projekten der Brunnenpassage.
Nach Abschluss der ersten Workshop-Reihe und Auftritten etwa im Club
Ost oder am Donauinselfest, hat sich ein DJane-Kollektiv gebildet,
welches nun über die Brunnenpassage gebucht werden kann. Coban, die die
Klasse koordiniert, ist mittlerweile ebenso ausgebildete DJane. Schon
jetzt fiebert sie den kommenden Auftritten mit neun anderen Frauen aus
unterschiedlichen Kulturkreisen entgegen – vielleicht auch schon bald
im Wiener Konzerthaus.
http://www.brunnenpassage.at
Printausgabe vom Dienstag, 14. September 2010
Online seit: Montag, 13. September 2010 22:06:00
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