MAK Galerie zeigt "Mode-Pop-Art" der 2003 verstorbenen Künstlerin
Birgit Jürgenssen
Der Schuh kann beißen, lachen, klagen
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Unter den feministischen Künstlerinnen der letzten vier
Jahrzehnte war Birgit Jürgenssen (1949-2003) hier in Österreich die auf
sensible Art subversivste; ihr feiner, aber scharfer Witz überträgt sich
ungebrochen von den Exponaten auf die Betrachter. Der Umgang mit dem
Medium Buntstiftzeichnung in Korrespondenz zu fragilen Objekten ist
unglaublich subtil, die Details zeigen eine Meisterschaft der versteckten
Perfektion. Der Künstlerin ist nun endlich nach ihrem frühen Tod in
dieser Stadt in der MAK Galerie bis 6. Juni die Ausstellung "SCHUHWERK.
Subversive Aspects of Feminism" gewidmet; bleibt zu hoffen, dass es bald
noch umfangreichere gibt. Jürgenssens Umgang mit der Mode und
verschiedensten Materialien, die zum Thema Schuh oft gar nicht geeignet
erscheinen, spiegelt eine kurze, aber intensive Auseinandersetzung mit
einer Variante der Pop-Art in Österreich wider. Dass diese zumindest von
zwei Künstlerinnen (auch Martha Jungwirth zeichnete eine Schuhserie) auf
spezielle Weise mit der Situation der Frau zwischen Alltag und Rollenspiel
gegenüber einem auch in der Mode männlich ausgerichteten Blickwinkel
abgehandelt wurde, ist in der Kunstgeschichte bis heute viel zu wenig
gewürdigt worden. Die teils feingliedrigen Schuhobjekte mutieren zu
Architekturen, Möbelstücken (Fußbetten) und anatomischen wie in die Natur
zurückwachsenden Memento-mori-Stillleben ("Netter Rabenvogelschuh"). Die
Serie erscheint obsessiv und besonders schöne Exemplare getragener
Schuhpaare kommen in einer Nischengestaltung à la Markenware als Ergänzung
dazu. Die Objekte hat sie nur zum Teil für kurze performative Auftritte
vor dem Fotografen (oder der Fotografin) an die Füße geschnallt, aber auch
"High Heels" unter den Hintern platziert und ihn so zur Ferse verfremdet.
Neben dem Sprachwitz ist auch der Schuh als Käfig, Zwangskorsett
("Stiefelknecht", Büstenhalter und Riemchenmaske), als
Prinzessinnenpantoffel (wer würde nicht gerne unter diesen Pantoffeln
stehen?) zu finden. In der Zeichnung kann der gespitzte Absatz auch zum
Penis werden, doch passiert dies in einer Ästhetik, die kaum zu überbieten
ist. So wird selbst der große Schuhsessel ein sinnliches Sehvergnügen
zwischen ihrer Gratwanderung von Frauenleben und Kunst, die sie bissig
kommentiert (auch Schuhmäuler können zuschnappen). Schön, diese lustvollen
Reflexionen auf "den Mythos der Macht männlichen Wunschdenkens" (Markus
Mittringer im Katalog) wiederzusehen.
Erschienen am: 06.04.2004 |
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