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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
15.02.2004
23:42 MEZ
Von
Bert Rebhandl aus Berlin

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berlin biennale

 
Foto Berlinale
"No Entry": In einer Installation mit mehreren Videoschirmen zeigt Hito Steyerl auf der "berlin biennale" Europa (im Bild: Brüssel) als leeren hermetischen Raum.

"berlin biennale": Parallelaktion zum Alltagsbetrieb
Am Wochenende eröffnete an drei Schauplätzen die "3. berlin biennale" - "Hub" - ein neuer Begriff im Kunstdiskurs

Ute Meta Bauer bringt zwar mit "Hub" einen neuen Begriff in den Kunstdiskurs ein, die von ihr kuratierte "3. berlin biennale", am Wochenende an drei Schauplätzen eröffnet, ermöglicht aber keine neuen Sichtweisen auf Berlin oder den globalen Kunstbetrieb.


In Berlin vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Künstler seinen Meldezettel unterschreibt. Aus allen Ländern kommen sie in die Stadt der billigen Mieten, der improvisierten Mode, der flexiblen Diskurse. Sie sind schon etabliert oder noch ganz unbekannt, sie haben Professuren in den USA oder ein winziges Stipendium aus Skandinavien. Die symbolische Produktion ist der letzte Sektor in der bankrotten Stadt, der funktioniert - dies ist zumindest die Mythologie, die vom Bürgermeister bis zum Barbetreiber geteilt wird.

Die 3. berlin biennale für zeitgenössische kunst, die am Wochenende eröffnet wurde, hat in diesem Zusammenhang eine halboffizielle Funktion. Sie muss in den Nischen und Subkulturen fündig werden, will sie dem Selbstbild von Berlin entsprechen; sie muss aber auch einem Megatrend des Ausstellungsbetriebs genügen, jenem neokonzeptuellen Dokumentarismus, den Catherine David auf der documentaX 1997 so einflussreich wie vage propagiert hat. Die berlin biennale soll Berlin als Weltstadt bestätigen, so ortsspezifisch wie möglich. Am Ende steht dann doch nur eine Weltstation, als deren wahlverwandter Ort sich nicht New York erweist, wie häufig beschworen, sondern Wien.

Ute Meta Bauer, Professorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien und als Kuratorin schon Mitglied des Teams der documenta 2002, hat die berlin biennale (mit einem Begriff, der vermutlich nicht Schule machen wird) in fünf "Hubs" eingeteilt. Fünf Umschlagplätze zu den Themen Migration, urbane Konditionen, sonische Landschaften, Moden und Szenen und anderes Kino wurden von spezialisierten Kuratoren betreut.

Im Martin-Gropius-Bau, dem größten der drei Ausstellungsorte neben den Kunst Werken in Mitte und dem Kino Arsenal am Potsdamer Platz, hat Hito Steyerl den Zugang zum ersten Raum mit zwei Videoschirmen versperrt: "No Entry" ist darauf zu lesen. Man muss sich darum herumdrücken, um in eine Installation zu kommen, die Europa auf mehreren Videoschirmen als leeren, hermetischen Raum zeigt. Eine Szene aus dem ehemaligen Jugoslawien, wo ein chinesischer Gastwirt einen Ort gegründet hat, dessen Name wie Schanghai klingt, macht Hito Steyerls Methode deutlich: Sie entwirft ein Rebus, ein Bilderrätsel, zu dem auch die Architekturgeschichte des Gropius-Baus selbst gehört.

Die Malerei von Dierk Schmidt, der sich von dem "Hofkünstler" Adolf Menzel zu einer Bilderserie über Berliner Schlossgeister provozieren ließ, reagiert ein paar Räume weiter ironisch auf das Stadtbild, wo Hito Steyerl dessen spätkoloniale Stilmittel noch einmal kritisiert. Montageeffekte dieser Art bleiben jedoch die Ausnahme in einer Ausstellung, die hauptsächlich aneinander reiht.

Der "Hub" Migration ist in Hinsicht auf die Zu- und Abwanderungsverhältnisse in Berlin eher unspezifisch und zeigt damit ein generelles Problem dieser berlin biennale an: Einerseits leben und arbeiten viele der eingeladenen Künstler in der Stadt, beschäftigen sich aber mit Themen, die sie von daheim mitgebracht haben. Andererseits funktionieren die Repräsentationen der Stadtthemen in der Ausstellung nicht. Die urbanen Konditionen wurden von Jesko Fezer und Axel John Wieder an anderen Orten schon wesentlich anschaulicher und auch gewitzter bearbeitet.

Die Klubkultur findet in den Kunst Werken keine sonischen Räume vor, sondern nur Videoschirme, Kopfhörer und leere Plattencover. Constanze Ruhms Installation X Characters / RE:(hers)AL, keinem Hub zugeordnet, ist die vielleicht interessanteste Schnittstelle. Sie ist um einen Film gebaut, der sieben Schauspielerinnen in einer Laborsituation zeigt. Sie entsprechen sieben Figuren der Filmgeschichte, denen in einem von der Künstlerin moderierten Chatroom im Internet neue fiktive Identitäten zugeschrieben wurden, die schließlich vor der Kamera ausprobiert wurden. Die Arbeit enthält nahezu alle Medienebenen, in die sich der neuere Subjektbegriff aufgelöst hat. Das Kino und der Feminismus sind in diesem Szenario bereits historisch. Geht aus diesen Probe-Identitäten etwas hervor? Immerhin überwindet Ruhm jenen willkürlichen "Optionalismus", den die Kunst Werke ausgerechnet auf dem Höhepunkt des Börsenbooms im Jahr 2000 ausgerufen hatten.

Die berlin biennale sucht und findet viele genealogische Motive, erschöpft sich aber in einer undialektischen Parallelaktion zum alltäglichen Betrieb der Stadt. Das Filmprogramm von Mark Nash macht dies besonders deutlich: Er zeigt zwei Monate lang im Arsenal ein "anderes Kino", das sich "anders" vielleicht zu Hollywood oder der Berlinale verhält, nicht jedoch zu dem, was im Arsenal auch sonst zu sehen ist. Mit einem Wort: Nash zeigt das, was die Stadt schon weiß, unter einer besonderen Rubrik und mit der Autorität des "glokalen" Experten. Das gilt für die gesamte Ausstellung, in der die Aporien der Ortlosigkeit des gegenwärtigen Kunstbetriebs so anschaulich werden wie schon lange nicht mehr. (DER STANDARD, Printausgabe vom 16.2.2004)


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