VON WALTER FINK
Es ist schon ziemlich lange her. Bei der anderen Tageszeitung des
Landes arbeitete damals ein Kollege, der für Spannung im
Kulturbetrieb sorgte. Vor allem am Sonntag erfolgte der Griff zum
Kleinformat, weil vornehmlich an diesem Tag Kulturchef Claudius
Baumann den Stift tief in die Tinte tunkte, um seine Bemerkungen zu
Kunst und Kultur in unserem Land anzubringen. Es ist lange her - und
das kulturelle Schwergewicht Claudius Baumann ist schon lange
gestorben. Es war nicht immer lustig, was er schrieb - vor allem
nicht für die Betroffenen. Es war aber immer wert, gelesen zu
werden, es gab auch immer Anlaß für oft lang anhaltende
Diskussionen. Einer dieser Kommentare, die für Aufregung gesorgt
hatten, kam mir in den letzten Tagen wieder in Sinn. "Hey,
Künstlers" hatte ihn Claudius Baumann sinnigerweise überschrieben.
Und mit diesem eher lässigen Zuruf wollte er die Künstlerschar dazu
aufrufen, etwas weniger empfindlich, etwas weniger zimperlich zu
sein, wenn es um die eigene Person oder Sache geht. Er bemängelte in
diesem Artikel, daß die Künstler zwar einigermaßen großzügig seien
im Austeilen, in der Kritik anderer, daß sie aber eher dünne Haut
zeigten, wenn sie selbst Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung
- etwa in der Zeitung - seien.
Das ist, wie gesagt, schon lange her. Geändert aber hat sich
seither offensichtlich nicht viel. Denn vor einer Woche hat ein
Artikel, der an dieser Stelle zu ähnlichem Thema geschrieben wurde,
für heftige Aufregung gesorgt. Im angesprochenen Kommentar wurde der
Vorwurf erhoben, daß die Künstler - wenige Ausnahmen bestätigen auch
hier nur die Regel - bei den "Bizauer Gesprächen" vor allem durch
Abwesenheit geglänzt hatten. Dabei wäre es um ihr ureigenstes Thema,
nämlich "Kunst und Architektur", gegangen, abgehandelt unter anderem
auch an zwei großen Wettbewerben zu "Kunst und Bau" in Vorarlberg.
Es wurde darüber gesprochen, was in der Vergangenheit vielleicht
nicht ganz optimal gelaufen ist, auch darüber, was in Zukunft anders
gemacht werden könnte. Natürlich wurden dabei keine gültigen
Lösungen gefunden, wurden keine Rezepte für künftige Wettbewerbe
gegeben. Immerhin aber konnten Standpunkte geklärt werden. Zumindest
solche der Architekten, denn die waren, im Gegensatz zu den
Künstlern, zahlreich gekommen. Es hätte auch die Möglichkeit
gegeben, mit Fachleuten aus Österreich, aus Deutschland, der Schweiz
oder aus Italien über ihre Erfahrungen im Schnittfeld von Kunst und
Architektur zu sprechen, ihre Positionen kennenzulernen. Dazu aber
hätte man kommen müssen.
Die Künstler haben diese Chance nicht ergriffen. Manche von ihnen
fühlten sich aber auf den Schlips getreten, als darauf aufmerksam
gemacht wurde. Sie gingen nicht mit den Urhebern des Problems,
nämlich mit sich selbst, ins Gericht, sondern mit dem Überbringer
der Botschaft. Getreu dem Vorbild in der griechischen Mythologie,
als ein damals weißer Rabe dem strahlenden Gott Apoll die Mitteilung
brachte, daß ihn sein Mädchen auf der Erde mit einem Sterblichen
hintergehe. Apoll schrie den Unglücksboten derart an, daß die Raben
seither schwarz sind. So weit ging es bei mir nicht, so laut haben
sie denn doch nicht geschrieen, laut genug allerdings waren manche.
Solche Lautstärke kann allerdings nicht über das Problem
hinwegtäuschen: Wenn man immer wieder Kritik übt, dann sollte man
sich bei gegebenem Anlaß auch getrauen, die immer wieder
Kritisierten zur Rede zu stellen. In Bizau wäre die Gelegenheit dazu
gewesen. Sie wurde nicht wahrgenommen. Womit sich die Künstler
weiterhin den Vorwurf gefallen lassen müssen, daß sie lieber
schimpfen als sich an der Lösung eines Problems zu beteiligen. Wie
sagte doch Claudius Baumann: "Hey, Künstlers".
* * *
Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der
Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der
alten Rechtschreibung.