VN Sa, 7.6.2003

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Kultur 

MEINUNG

Die stille Invasion

VON WALTER FINK

Etwas vom Besten, was uns die Europäische Union gebracht hat, ist die geographische Freizügigkeit, die Ungebundenheit des Wohnortes ebenso wie des Arbeitsortes innerhalb dieser Gemeinschaft. Wenn es jemandem Spaß macht, dann kann er sich heute ohne jedes Problem in Spanien ein Haus kaufen, er kann sich dort ansäßig machen, einen neuen Beruf ausüben. Noch dazu muß man sich inzwischen nicht einmal mehr in der Währung umstellen. Das alles ist einfach geworden. Und alle Befürchtungen, daß wir mit dem Beitritt zur EU unsere Grenzen öffnen wie die Schleusen am Fluß, daß wir damit überrannt werden von ausländischen Arbeitskräften, die uns den Job streitig machen würden, waren überflüssig.

Auf der kulturellen Ebene wurde uns das ja schon lange vorgemacht, ebenso in der Wissenschaft. Die Universitäten holten sich ihre Lehrer immer schon dort, wo sie glaubten, gute Kräfte zu finden. Niemand kümmerte sich darum, ob ein Inländer oder Ausländer zum Zug kam, die beste Besetzung sollte es sein.

Gleiches galt für künstlerische Positionen, für Museumsleiter, Theaterintendanten und andere Positionen in der Kultur. Österreicher waren hier im Ausland oft ganz besonders erfolgreich. Und umgekehrt holte man sich für kulturelle Institutionen bei uns immer wieder auch Fachleute aus dem Ausland, nicht zuletzt aus Deutschland. So ausgeprägt, wie das in jüngerer Zeit in Vorarlberg geschieht, hat das aber doch auch Seltenheitswert.

Es war vor etwas mehr als fünf Jahren, als die Leitung für das Landestheater ausgeschrieben wurde. Das Rennen machte Harald Petermichl, bis dahin als Chef am Stadttheater von Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet tätig. Und der stehende Satz, daß jeder, der diese Stadt heil überstanden habe, sich auch überall anders durchsetzen würde, hat sich bewahrheitet. Petermichl hat sich - gemeinsam mit den Theaterleuten, die er mitgebracht hat - beim Landestheater gut eingeführt. Auch so gut, daß sein Vertrag inzwischen verlängert wurde. Kurze Zeit später stand die Neubesetzung im Kunsthaus Bregenz an. Gegen scharf Konkurrenz setzte sich Eckhard Schneider, bis dahin in Hannover tätig, durch. Und auch er erwies sich als guter Griff, brachte er doch die Besucherzahlen bereits im ersten Jahr seiner Direktion in bis dahin nie gekannte Höhen. Nun war - nach der Umwandlung in eine Gesellschaft - die künstlerische Leitung für das Landeskonservatorium in Feldkirch ausgeschrieben. Und auch hier machte mit Anselm Hartmann ein deutscher Bewerber klar gegen die anderen Interessenten das Rennen. Bereits mit Anfang August wird er die Geschicke der wichtigsten musikalischen Bildungsanstalt des Landes leiten.

Da ist also innerhalb kurzer Zeit so etwas wie eine stille Invasion geschehen, wesentliche kulturelle Einrichtungen sind fest in deutscher Hand. Und ich sage gleich, daß ich das nicht für ein Problem halte, damit da keinerlei chauvinistische Überlegungen aufkommen. Zwei dieser Leiter haben sich in ihren Bereichen schon bestens bewährt, der dritte scheint jedenfalls - auch auf internationaler Ebene - höchst qualifiziert für seine kommende Aufgabe. Vielleicht sind alle ein Glücksfall für dieses Land. Und doch muß man sich die Frage stellen, ob da nicht manches falsch läuft, wenn sich in keinem der genannten Fälle jemand aus dem eigenen Land gegen harte internationale Konkurrenz durchsetzen kann. Liegt es daran, daß hierzulande die Ausbildung nicht gut genug ist, liegt es daran, daß man zu wenig Wert darauf legt, daß junge Menschen Erfahrungen im kulturellen Management machen. Oder kann es sein, daß sich geeignete Kandidaten ganz einfach nicht im eigenen Land bewerben. Auf diese Idee könnte man kommen, nachdem es ja genug Vorarlbergerinnen und Vorarlberger gibt, die in Wien oder im Ausland in diesen Bereichen Karriere machen und gemacht haben. Wenn dem so wäre, dann müßte man tatsächlich über die Ursachen nachdenken. Vor allem die Politik.

* * *

Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der alten Rechtschreibung.




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