VON WALTER FINK
Etwas vom Besten, was uns die Europäische Union gebracht hat, ist
die geographische Freizügigkeit, die Ungebundenheit des Wohnortes
ebenso wie des Arbeitsortes innerhalb dieser Gemeinschaft. Wenn es
jemandem Spaß macht, dann kann er sich heute ohne jedes Problem in
Spanien ein Haus kaufen, er kann sich dort ansäßig machen, einen
neuen Beruf ausüben. Noch dazu muß man sich inzwischen nicht einmal
mehr in der Währung umstellen. Das alles ist einfach geworden. Und
alle Befürchtungen, daß wir mit dem Beitritt zur EU unsere Grenzen
öffnen wie die Schleusen am Fluß, daß wir damit überrannt werden von
ausländischen Arbeitskräften, die uns den Job streitig machen
würden, waren überflüssig.
Auf der kulturellen Ebene wurde uns das ja schon lange
vorgemacht, ebenso in der Wissenschaft. Die Universitäten holten
sich ihre Lehrer immer schon dort, wo sie glaubten, gute Kräfte zu
finden. Niemand kümmerte sich darum, ob ein Inländer oder Ausländer
zum Zug kam, die beste Besetzung sollte es sein.
Gleiches galt für künstlerische Positionen, für Museumsleiter,
Theaterintendanten und andere Positionen in der Kultur. Österreicher
waren hier im Ausland oft ganz besonders erfolgreich. Und umgekehrt
holte man sich für kulturelle Institutionen bei uns immer wieder
auch Fachleute aus dem Ausland, nicht zuletzt aus Deutschland. So
ausgeprägt, wie das in jüngerer Zeit in Vorarlberg geschieht, hat
das aber doch auch Seltenheitswert.
Es war vor etwas mehr als fünf Jahren, als die Leitung für das
Landestheater ausgeschrieben wurde. Das Rennen machte Harald
Petermichl, bis dahin als Chef am Stadttheater von Castrop-Rauxel im
Ruhrgebiet tätig. Und der stehende Satz, daß jeder, der diese Stadt
heil überstanden habe, sich auch überall anders durchsetzen würde,
hat sich bewahrheitet. Petermichl hat sich - gemeinsam mit den
Theaterleuten, die er mitgebracht hat - beim Landestheater gut
eingeführt. Auch so gut, daß sein Vertrag inzwischen verlängert
wurde. Kurze Zeit später stand die Neubesetzung im Kunsthaus Bregenz
an. Gegen scharf Konkurrenz setzte sich Eckhard Schneider, bis dahin
in Hannover tätig, durch. Und auch er erwies sich als guter Griff,
brachte er doch die Besucherzahlen bereits im ersten Jahr seiner
Direktion in bis dahin nie gekannte Höhen. Nun war - nach der
Umwandlung in eine Gesellschaft - die künstlerische Leitung für das
Landeskonservatorium in Feldkirch ausgeschrieben. Und auch hier
machte mit Anselm Hartmann ein deutscher Bewerber klar gegen die
anderen Interessenten das Rennen. Bereits mit Anfang August wird er
die Geschicke der wichtigsten musikalischen Bildungsanstalt des
Landes leiten.
Da ist also innerhalb kurzer Zeit so etwas wie eine stille
Invasion geschehen, wesentliche kulturelle Einrichtungen sind fest
in deutscher Hand. Und ich sage gleich, daß ich das nicht für ein
Problem halte, damit da keinerlei chauvinistische Überlegungen
aufkommen. Zwei dieser Leiter haben sich in ihren Bereichen schon
bestens bewährt, der dritte scheint jedenfalls - auch auf
internationaler Ebene - höchst qualifiziert für seine kommende
Aufgabe. Vielleicht sind alle ein Glücksfall für dieses Land. Und
doch muß man sich die Frage stellen, ob da nicht manches falsch
läuft, wenn sich in keinem der genannten Fälle jemand aus dem
eigenen Land gegen harte internationale Konkurrenz durchsetzen kann.
Liegt es daran, daß hierzulande die Ausbildung nicht gut genug ist,
liegt es daran, daß man zu wenig Wert darauf legt, daß junge
Menschen Erfahrungen im kulturellen Management machen. Oder kann es
sein, daß sich geeignete Kandidaten ganz einfach nicht im eigenen
Land bewerben. Auf diese Idee könnte man kommen, nachdem es ja genug
Vorarlbergerinnen und Vorarlberger gibt, die in Wien oder im Ausland
in diesen Bereichen Karriere machen und gemacht haben. Wenn dem so
wäre, dann müßte man tatsächlich über die Ursachen nachdenken. Vor
allem die Politik.
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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der
Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der
alten Rechtschreibung.