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  Switch Bitch - Cherchez la Cyberfemme  Dagmar Fink, Harald Begusch  
    Ein Cyberfeminismus-Projekt der norwegischen Performance-Gruppe Motherboard
   
   


»Switch Bitch - re: sampling the cyberfemme« lautet der Titel des dokumentarischen Projekts, das die norwegische Gruppe Motherboard anlässlich eines Workshops und eines Vortrages im Wiener Depot präsentierte

Für »Switch Bitch«(1) unternahmen Amanda Stegell und Per Platou, Netz- und TheateraktivistInnen aus Oslo, eine eineinhalbjährige Recherche, bei der sie Cyberfeministinnen wie Aliza Sherman, Sandy Stone, Faith Wilding und Natalie Jeremijenko interviewten beziehungsweise auf der Suche nach der »Cyberfemme« Images, Texte und Derivate aus Internet, Newsgroups und Computerspielen herunterluden. Dieses extrem umfangreiche, heterogene und informative Material mündete in eine einwöchige Performance, ein eigenes Webprojekt (http://www.notam.uio.no/motherboard) und - gerade in Planung - eine Videoedition. Wie in ihrem vorangegangenen Projekt »Digital Mosque«, das die Beziehung zwischen der westlichen Popkultur und dem Islam untersuchte, begibt sich Motherboard auch mit »Switch Bitch« auf die Spurensuche nach kulturellen Neudefinitionen im Zusammenhang mit Neuen Technologien.

»Switch Bitch« ist dabei nicht auf der Suche nach der einen subversiven »Cyberfem«(2), sondern nach deren vielfältigen und unterschiedlichen Manifestationen. So fungieren in der Performance die interviewten Cyberfeministinnen in Videoeinspielungen ebenso als Cyberfems wie Lara Croft, die durch eine Performerin dargestellt wird. Über die Website »Find the bitch!« gelangt man zu Old Boys Network, VNS Matrix, Women with Beards oder Sandy Stones Homepage sowie zu Ultravixen oder Babes 4U.(3) Die Stärke eines solchen Ansatzes liegt darin, der Ambiguität dessen, was eine Cyberfem ist oder sein kann, Rechnung zu tragen und deren vielfältige Positionierungen innerhalb der »Informatik der Herrschaft« darzustellen. Nicht ein Bild der Cyberfem wird gezeichnet, sondern Bilder, die sich gegenseitig brechen, miteinander konkurrieren und aufeinander verweisen. Der Nachteil eines solchen Vorgehens liegt darin, im bloßen Nebeneinanderstellen unterschiedlichster Repräsentationsformen beliebig zu werden und den großen Supermarkt der Identitäten zu suggerieren, in dem eine/r sich aussuchen kann, welche Cyberfem sie/er gerade sein möchte/begehrt. Konnten diese Nebeneinanderstellung kommerzieller und feministischer Ikonografien einer hegemonialen Enteignung entgegenwirken, so reicht die bloße Sammlung und Aufzählung dieser Bilder als politisches Statement nicht aus. Während die drei auf der Bühne agierenden Cyberfems den Siebzigern (Kamel Grrl), Achtzigern (Media Grrl) und Neunzigern (Lara Croft) zugeordnet sind, behandeln auch Motherboard den Cyberfeminismus als aktuellste, zeitgenössische Variante des Feminismus. Auf diese Weise treiben sie implizit die Polarisierung zwischen dem angeblich »veralteten« Siebzigerjahrefeminismus und dem »modernen«, attraktiven und »sexy« Cyberfeminismus voran, statt darauf zu verweisen, dass dieser einer unter anderen - ebenso aktuellen wie wichtigen - Feminismen ist, ohne die es auch keinen Cyberfeminismus gäbe. Während also letzterer als heterogen und sich jeglicher eindeutigen Definition entziehend dargestellt wird, konstruiert diese Polarisierung »den Feminismus« als einheitlich, zudem unzeitgemäß und einschränkend. Dieses seltsame Abgrenzungsbedürfnis mancher Cyberfeministinnen spricht auch Faith Wilding in ihrem Essay »Where Is the Feminism in Cyberfeminism?« an. Wilding weist darauf hin, dass die Zurückweisung des historischen ebenso wie anderer Feminismen problematisch ist, da sie populäre Ängste, Stereotypen und falsche Vorstellungen von Feminismen befördert. Sie plädiert stattdessen dafür, von anderen Feminismen zu lernen, Verbindungen - insbesondere mit dem postkolonialen Feminismus - nicht nur anzuerkennen, sondern auch dezidiert zu suchen. So verstanden, ist Cyberfeminismus ein bedeutender unter anderen Feminismen, deren Wirkungsmächtigkeit nicht zuletzt davon abhängt, wie Feministinnen ihre unterschiedlichen Potentiale miteinander verknüpfen.
Ein anderer interessanter Aspekt des Projekts bezieht sich auf die Umsetzung dieser Debatte im Raum des Theaters, der immer auch ein Ort einer öffentlichen Verhandlung ist. Einerseits transferiert »Switch Bitch« die Form einer Netzdiskussion oder einer Internet-Recherche kongenial in den Performanceraum. Die ZuschauerInnen, in der Mitte auf Drehstühlen platziert, sind über Kopf von großen Videoprojektionen und rings von einem Steg umgeben, auf denen die Bilder und Interviews beziehungsweise die Aktionen der SpielerInnen, kleiner Roboter und der TechnikerInnen ablaufen. Diese performativ umgesetzte Metapher, sich inmitten einer Informationsmaschine zu befinden, funktioniert umso besser, als die zahlreichen Internet-, Video-, Bild-, Sound- und Computersamples, wie zum Beispiel aus dem Psychoprogramm ELIZA, rundum simultan ablaufen und die ZuschauerInnen auf ihren Drehsesseln sich die Inhalte selbst zusammensetzen müssen. Andererseits: auf der Ebene der mimetischen Verkörperung - beziehungsweise der Idee einer Fusion des Physischen mit dem Technologischen - scheitert das Projekt an der mangelnden Risikobereitschaft der für das Projekt eigens engagierten PerformerInnen, die anstelle einer durchaus lustvollen wie verstörenden Grenzüberschreitung von Geschlechterrollen oftmals Klischees setzen. Auch wenn manche Figuren als ironische Zitate konzipiert sind, verhelfen die perfekte Nachahmung der spezifischen Bewegungsmuster von Lara Croft, das Coming-out Captain Kirks als Transgender-Persona oder die Fusion Kikas, einer Figur aus dem gleichnamigen Film von Pedro Almodovar, mit der (subjektiven) Helmkamera nicht zu einem »Blickwechsel«. Zu oft verharrt die Darstellungsweise in der Tradition der Mimesis als Nachahmung gegenüber einer Mimesis als neuer, eigenständiger Interpretation und präsentiert so einsichtige, aber stereotyp wirkende Kopien. Die subversiven Potentiale eines Ausbruchs aus vorgegebenen Rollen - die in den jeweiligen Originalen zudem wesentlich weniger starr angelegt sind - bleiben so ungenutzt und scheinen dem grundlegenden Missverständis zu entspringen, dass die Verkörperung des Technologischen - und die ironische Figuren des/r Cyborgs - den mechanisch agierenden Roboter meint. Images und Theorien von Cyberfeminismen mit der Methode des Sampling zur Diskussion zu stellen funktioniert zwar als Dokumentation, wirft aber die Frage auf, ob die Form des Zitats, die immer auch eine Historisierung darstellt, bezogen auf eine aktuell in Streit stehende Frage eher zum Stillstand einer politischen Dynamik führt oder als kritischer Beitrag lesbar bleibt. Dies insbesonders dann, wenn zeitgleich so unterschiedliche Dispositive wie industriell gefertigte Images von Frauen/Cyborgs oder Interventionen von Seiten feministischer Theorien nebeneinander ablaufen beziehungsweise die Methode des Sampling bloß Assoziationen auszulösen vermag. Was dort der Fall ist, wo die den Samples zu Grunde liegenden Produktionsbedingungen eher ausgeblendet bleiben als zum eigenen Thema zu werden. Motherboard, und da liegt die Stärke des Projekts, wendet bis heute viele Energien dafür auf, eben jene Diskurse zu stärken, zu editieren und zu verbreiten, die den Images einer Lara Croft nur wenig ökonomische Macht entgegensetzen können. So kann die in »Switch Bitch« aufgeworfene Frage nach der Cyberfemme beziehungsweise dem Cyberfeminismus im Kontext der sich drehenden ZuschauerInnenstühle und der auffallend vielen Richtungspfeile zu den zahlreichen Links auf der Webpage als Form der Orientierung gelesen werden: eine Diskursivierung, die ein traditionelles heteronormatives Muster insofern modernisiert, als sie die Rede von der Vielfalt und der nie endenden Suche (im Cyberspace) als, in und mittels Weiblichkeit rekonstruiert. Die auf der Website gestellte Frage, ob »man« »weiblich« sein muss, um eine Cyberfemme zu sein, beantwortet Motherboard damit womöglich selbst.

1 Vortrag im Rahmen eines Workshop-Projekts der Gruppe Bilderwerfer; veranstaltet von kontext_ büro für dramaturgie und performanceforschung, 21. März 1999 im Depot in Wien (http://www.univie.ac.at/kontext).

2 Motherboard »switcht« zwischen der englischen (»Cyberfem«) und französischen Schreibweise (»Cyberfemme«).

3 Ultravixen ist ein Sex-Comic-Spiel, Babes 4U eine Sexseite.

»Ambiguität ist das einzige Charakteristikum, das ich für den Cyberfeminismus entdecken kann.« Interview mit Motherboard

Dagmar Fink, Harald Begusch: Ich habe den Eindruck, dass sich die Begriffe »Cyberfemme« und »Cyberfeminismus« in eurer Performance vermischen. In welchem Verhältnis steht Cyberfemme zu Cyberfeminismus?

Amanda Stegell: Lass uns davon ausgehen, dass die Ursprünge der Cyberfem auf Geek Grrls zurückzuführen sind, die auf die Beschreibungen von Frauen und Computern in den populären Medien reagiert haben. Cyberfems ironisieren die darin verbreiteten Beschreibungen des Frau-Maschine-Hybrids, wie zum Beispiel William Gibsons »Idoru« und die mainstreamigere Computerspielheldin Lara Croft. Sie können jedoch nur solange Schlagzeilen machen, wie Lara Croft die Hitlisten anführt. Sobald die Aufmerksamkeit der Medien nachließ, haben auch die Cyberfeministinnen ihre Öffentlichkeit verloren. Dieses anfängliche Feuer hat viele Anhängerinnen angezogen und wurde als Möglichkeit, den Feminismus zu verjüngen, aufgenommen. Diese Anhängerinnen hatten und haben ihre eigene Vorstellung davon, was Cyberfeminismus sein kann, waren gemeinsam aber nur in der Lage festzustellen, was er nicht ist. Während die Zahl der Cyberfeministinnen zunimmt, hat ihre tatsächliche Stärke, als kollektive Aktivistinnen zu operieren, nachgelassen. Dazu ein Ausschnitt von Old Boys Network nach der »2nd Cyberfeminist International« 1999 in Rotterdam, so wie er von Yvonne Volkart und Faith Wilding wiedergegeben wurde: »Es bleibt der Eindruck, dass der ›neue‹ Cyber-Feminismus, so wie er sich in Rotterdam darstellte, viel mehr mit Theorie und Feminismus sowie deren Praktiken und Verhandlungen in der realen Welt zu tun hat, als mit den Strategien oder taktischen Interventionen dort und im Cyberspace …« Achte auf den Einschub des Trennstrichs zwischen Cyber und Feminismus! Ich glaube nicht, dass das ein Tippfehler ist. Ich interpretiere ihn als Anzeichen für die Unmöglichkeit der Verschmelzung dieser Begriffe und den hinausgeschobenen Tod des Cyberfeminismus als revolutionäre künstlerische und/oder politische Bewegung.

Versteht ihr eure Performance als Beitrag zur cyberfeministischen Bewegung beziehungsweise Debatte?

Ein Beitrag zur Bewegung? Wenn du damit einen Einsatz oder ein Lobbying für Cyberfeminismus meinst, muss ich deine Frage mit nein beantworten. Das Gegenteil ist der Fall. »Switch Bitch« handelt eher von den Erzählungen, die rund um den Feminismus enstanden sind - das »Cyber-Tag« wurde vom »Feminismus-Tail« überschrieben. Aus dokumentarischer Sicht vereint die Performance - soviel ich weiß - die unterschiedlichsten Materialien zur Cyberfemme. Und die ZuschauerInnen können innerhalb von sechzig Minuten eine Menge davon mitkriegen. Auch die Website entwickelt sich inzwischen zu einer wesentlichen Dokumentationsquelle.

Warum habt ihr in eurer Beschäftigung mit Cyberkultur und Cyberfeminismus die Cyberfemme als emblematische Figur gewählt und nicht eine andere, wie etwa die/den Cyborg im Sinne Donna Haraways?

Die Donna-Idee von der/dem Cyborg lässt sich szenisch nur schwer umsetzen. Die/der Cyborg spielt in einer bestimmten Liga. »Switch Bitch« wurde in einem traditionellen Theaterraum umgesetzt. Daraus ergeben sich Konflikte. Wir haben uns dazu entschlossen, diese Idee von der/dem Cyborg durch das Design des Theaters als Environment und durch die Art der Übertragung von Information auszudrücken. So haben wir das Publikum in der Mitte des Raums auf Drehstühle gesetzt. Das Fleisch blieb im Zentrum, aber der Fokus war ein flexibler. Da die Cyborg so eng mit einer »Erfahrung« verbunden ist, versuchten wir das Publikum als Teil dieses Environments einzubeziehen. Wenn ich an unsere Charaktere denke - du sagst emblematische Figuren -, so denke ich immer an den »Mauszeiger« in dieser Umgebung. Sie sollen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen und es dazu anregen, seinen Fokus zu wechseln. Außerdem ist da das Gespräch zwischen Tr@ns-Maggie und dem Psycho-Bot ELIZA auf der Bühne, die ebenso eine Figur ist wie die leibhaftigen PerformerInnen. Pers »gesprochene« Kommentare, die durch das Bild des geschlechtlich/tierisch/spacig gemorphten Kopfes des »Virtual Friend« mit dessen computergeneriertem Text vermittelt wurden, haben Fakt und Fiktion, Echtzeit mit aufgezeichneter Zeit, Programmiertes mit Analogem, Reales mit Virtuellem am erfolgreichsten verknüpft. Und nicht zuletzt spielt Lara Croft ihr eigenes Spiel.

Habt ihr Präferenzen, was die Cyberfemme sein sollte oder könnte?

Ja, die hatte ich: Hackerinnen, die einfach tun, was sie eben tun. Ich kann mich nicht mehr auf den Feminismus, der am »cyber« dranhängt, beziehen. Es gab eine Zeit, zu der ich das konnte. Ich habe aber immer noch eine Persona, die von sich behauptet, eine Cyberfemme zu sein. Es war nie unsere Intention, mit »Switch Bitch« die Suche nach der Cyberfemme mit einer von mir/uns favorisierten Figur zu beenden. Motherboard näherte sich diesem Projekt in Form einer dokumentarischen Performance, die die Ambiguität der Cyberfemme mit an Bord nehmen sollte.

 
     

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