Ausstellungstipp

Identität als bizarres Arrangement

von Eva Zelechowski  |  16. September 2010, 10:26
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    DDR-Museum: Momentaufnahme eines Siebzigerjahre-Wohnzimmers

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    Shahram Entekhabi hinterfragt die mediale Stereotypisierung männlicher Identitäten.


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    Public Tracks zeigt Identitätsstiftung im virtuellen Netzwerk.

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    Die Künstlerin Trish Morrissey bringt familiäre Rollenbilder durcheinander.

Die Fotogalerie im WUK thematisiert Identität der Gegenwart und entführt auf eine Expeditionsreise rund um diverse Interpretationsmodelle

Die Merkmale, die den Menschen als Individuum kennzeichnen und ihn vom anderen unterscheiden sind mindestens genauso umfangreich wie die Interpretationen von Identität. Anlässlich des im Jahr 2010 gesetzten Schwerpunkts "Identität" stellen sich die Kuratoren der Fotogalerie im WUK die Frage: "Was konstruiert Identität heute?" Die aktuelle und zweite Ausstellung steht im Zeichen der Identitätsstiftung und der Zugang der KünstlerInnen ist entweder ein identifizierender oder ideologisierender. Gelegentlich schafft es eine Installation den BesucherInnen in einem unaufmerksamen Moment beides gleichzeitig zu suggerieren.

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Im Gefüge vereint

Schallendes Gelächter durchdringt den Ausstellungkeller aus einer Ecke, hinter einem mit schwarzem Vorhang abgedunkelten Raum erklingen Wortfetzen, die sich wie eine Aneinanderreihung von Namen anhören und im Hintergrund ertönen anmutige weibliche Funk-Vocals. Jedes Element der Ausstellung wirkt für sich unvergleichlich und schmiegt sich dennoch in das Gefüge der gemeinsamen Suche nach Identität. Konstruierte kollektive Identität, so ein Ansatz der KünstlerInnen, darf nicht ohne die Gefahr der Beeinflussung gesehen werden. Insbesondere ist damit die vermeintliche kulturelle Homogenität gemeint.

Cross-cultural Verkleidung

Beispielhaft dafür stellt Oreet Ashery in ihrem "Portrait Sketch" mithilfe eines Porträtzeichners in Delhi die jüdische und palästinensische Identitätskonstruktion zur Schau. Mit falschem Bart lässt sie sich einmal als jüdischer Mann und am selben Tag ein zweites Mal vom selben Maler - diesmal mit Palästinensertuch um den Kopf geschlungen - porträtieren. Hinter der cross-cultural Verkleidung will die Straßenkünstlerin auf die mit dem Islam und Judentum verstrickten Stereotype sowie auf Genderidentitäten aufmerksam machen.

Aggression als Klischee

Shahram Entekhabi beleuchtet geschlechtsspezifische Identitäten und die damit verknüpften Stereotypen in der medialen Darstellung. In seinen drei Kurzfilmarbeiten "Mehmet, Mladen und Miguel" inszeniert der deutsch-iranische Künstler kulturelle Klischees männlicher Identität und macht im Speziellen auf das häufig einhergehende Klischee vom Aggressionspotenzial des "fremden Mannes" aufmerksam. Während einer der Akteure - Miguel - seine Weste schnürt und sich eine Zigarre anzündet schallt sein lautes und präpotentes Lachen aus dem Fernsehgerät. Dann zündet er die Granate. Es wird abgeblendet.

Alternative Identität

Mit einer aktuellen gesellschaftsspaltenden und gleichzeitig  verbindenden Entwicklung der Identitätsstiftung setzt sich Hubert Blanz auseinander. Er hat sich des Themas Facebook angenommen und in seiner Arbeit "public tracks" die Frage nach Identität und Vernetzung gestellt. Ein abgedunkelter Raum, indem die BesucherInnen eine Leinwand vorfinden, auf die Bilder von verwobenen Netzgebilden gestrahlt werden. Im Hintergrund werden scheinbar wahllos Namen genannt. Die Audio-/Videoinstallation führt die BesucherInnen durch die Galaxie des virtuellen Netzwerks. Ähnlich wie das soziale Netzwerk Facebook versteht sich public tracks als Ort, an dem alternative Identitätsskizzen entstehen können.

Jenseits des dokumentarischen Aspekts

Bizarr und gleichermaßen erschreckend geordnet geht es in der Fotoserie "Sammlungen" von Astrid Korntheuer zu. Es sind Alltagsobjekte, die SammlerInnen in penibler Perfektion zusammengetragen haben und abseits der dokumentarischen Sichtweise platzieren. Im Kickers Museum wirken dutzendfach Fußballschals, Fußbälle und Trickots auf den Betrachter - alle fein säuberlich in Reih und Glied neben einander gereiht. Weniger WOW-Effekt, aber dafür eine hervorragende Momentaufnahme eines Siebzigerjahre-Wohnzimmers bietet das DDR-Museum. In gewisser Weise entschlüpfen die perfekt inszenierten Alltagsgegenstände der subjektiven Wahrnehmung ihrer SammlerInnen und kreieren ihrerseits eine Art Identität - mithilfe der Bedeutung, die ihnen die Sammlerlnnen zuordnen.

Kontinuierliche Entwicklung von Identität

In ihrem 1999 gedrehten Film "Fireflies" porträtiert Katharina Cibulka fünf junge Musikerinnen und ihre Lebensträume. Die Welt wird aus der Sicht der zwanzigjährigen Frauen gesehen: Der Weg zum Ruhm steht offen. Zehn Jahre später geben sie der Absolventin der Wiener Akademie in der Videoinstallation "Getting my name up there" einen Einblick in ihr Leben und finden sich in Vorstädten, mit Golden Retrievern, Kindern und einem Kunststudium vor. Trotz der nicht erfüllten Karrierewünsche weist die Dokumentation den Anschein eines Scheiterns zurück. Während Cibulka die Erzählungen getrennt von den Bildern der Frauen zeigt, wird eines deutlich: Die beginnende Irritation mündet in der Erkenntnis über die kontinuierliche Entwicklung und Unbeständigkeit von Identität. Prädikat: anregend. (Eva Zelechowski, 16. September 2010, daStandard.at)

Die Eröffnungsausstellung vom 4. Mai bis 2. Juni thematisierte die Entwicklungsetappen alltäglicher Identitätsprozesse anhand biografischer Selbsterfahrung.
Informationen zur dritten und letzten Ausstellung der Schwerpunktreihe Identität werden rechtzeitig auf der Fotogalerie Webseite angekündigt.

Identität II
Fotogalerie Wien, WUK
1. - 29. September 2010

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