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23.12.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
"Will nicht wissen, ob es Gott gibt" | ||
VON ALMUTH SPIEGLER | ||
Porträt. Ein Bild Herbert Brandls ziert diese Weihnachts-Ausgabe der "Presse". Österreichs Biennale-Venedig-Vertreter '07 über Heimatkünstler und Pantheismus. | ||
N
Auf diesen von ihm sehr geschätzten, 1996
verstorbenen Künstler wird der in den 80er Jahren als "Neuer Wilder"
bekannt gewordene Weibel-Schüler übrigens nächstes Jahr schon stoßen:
Wenn er, als erster Maler seit langem, den Österreich-Pavillon bei der
Biennale Venedig bespielt. Und Gonzales Torres nicht weit entfernt im
Mini-Prunkbau der USA ein Revival feiert.
Die Frage, wie die Herausforderung Biennale zu meistern ist, wird Brandl allerdings noch über Weihnachten hinaus beschäftigen. Einige riesige Leinwände stehen schon weiß wie Wände in seinem Atelier in der Josefstadt. Und jagen den vom vielen Fliegen - seit zwei Jahren unterrichtet er an der Düsseldorfer Kunstakademie - ziemlich verkühlten Maler emotional zwischen Glück und Angst hin und her. Ist sein Biennale-Konzept aber erst einmal klar, wird es wohl ziemlich schnell gehen: Zehn Minuten brauche er nur, um ungefähr zwölf Quadratmeter zu bewältigen. Sagt Brandl. Spontan, ohne Vorzeichnung - "das ist wie Action-Painting", beschreibt er lachend. Und man kann sich den drahtigen Endvierziger bestens vorstellen, wie er mit verlängerten Pinseln und Leitern über die Leinwand prescht. Woran er dabei bevorzugt denkt, war in den strengen Konzeptkunstkreisen der 70er, die ihn prägten, eher ungewöhnlich: die Natur. Der Mensch sei ihm verloren gegangen, als er die Linie aus seiner Malerei gekoppelt hat, sagt Brandl. Und Gesichter aus verschwimmenden Farbflächen, die liegen ihm nicht. So drängen sich in seine Gedanken beim Malen
vorrangig Flora und Fauna - mächtige Gebirge, Gletscher, sogar glühende
Alpen waren es vor einigen Jahren, hier und da kommt einmal eine Katze
oder ein provokant knalliges Blümchen dazwischen. Bis vor kurzem aber
hatte Brandl noch den geheimnisvollen Rothwald, Österreichs einzigen
Urwald, präsent, in den er einen Forscher-Trupp des steirischen
Joanneum begleiten durfte. "Das war unglaublich", erinnert er sich.
"Durch das viele Laub herrscht dort ein Licht wie zu einer anderen
Zeit."
Aufgewachsen in Schwanberg, Weststeiermark, wäre es
bei Brandl ein Leichtes, seine Faszination für Wälder und Berge als
Sehnsucht zu deuten. Worauf der Maler scharf widerspricht: "Ich male ja
keine Wälder, weil ich vom Land komme. Eher würde mir das Spiel
gefallen, einen Heimatkünstler zu mimen. Dann würde ich mir einen Hut
mit Gamsbart aufsetzen und so tun, als hätte ich die Steiermark nie
verlassen. Ich tu ja auch nur so, als würde ich auf Berge steigen.
Dabei steige ich nie auf Berge. Mir ist zu kalt dort oben und die Luft
zu dünn."
Und doch hat den Maler die katholische Umgebung seine Kindheit geprägt: "Die Mönche des Kapuzinerklosters hatten großen Einfluss auf mich. Sie haben eine extrem starke Naturverbundenheit ausgestrahlt, eine Verbundenheit mit dem Göttlichen sozusagen. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich bin pantheistisch geprägt worden." Als religiös im katholischen Sinn würde Brandl sich nicht bezeichnen. Ausgetreten aus der Kirche sei er allerdings auch - noch - nicht. Glaubt er jedenfalls. "Natürlich interessiert mich das Göttliche und was damit gemeint ist. Aber ich möchte es nicht unbedingt erforschen. Ich will gar nicht wissen, ob es Gott gibt oder nicht. Für mich ist es ganz wesentlich, eben gerade keine konkrete Vorstellung davon zu haben, was nach dem Leben kommt." Was die Betrachter in seine ironisch zwischen abstrakt und gegenständlich oszillierenden Kompositionen aber so alles hinein interpretieren, ist Brandl meist höchst suspekt: "Da gibt es Projektionen von der Himmelswelt bis zu Gottesdarstellungen mit Engerln." Er selbst pflegt zu seinen Bildern lieber Distanz.
Im Moment ihrer Schöpfung - und im besten Falle ist es auch eine, sagt
er - existieren für ihn sowieso nur zwei Dinge: Farbe und Leinwand.
W
Eine der gängigsten Erklärungen für diese rasche,
problemlose Ausbreitung ist die sogenannte religionswissenschaftliche
Hypothese: Ein heidnisches Sonnwendfest habe an diesem Tag
stattgefunden. Dessen Beliebtheit erkläre die Notwendigkeit, ein
christliches Fest an diesem Tag einzuführen. Die rasche Verbreitung
lasse sich dadurch erklären, dass an diesem Tag auf jeden Fall ein Fest
gefeiert wurde, also nur der Inhalt getauscht worden sei. Bernard Botte
nannte im vergangenen Jahrhundert diese Hypothese die "natürliche
Erklärung" für die Entstehung des Weihnachtsfestes, die
Liturgiewissenschaftlerin Susan K. Roll bemerkte kürzlich, dass sie
unseren Erkenntnissen über Inkulturation entspreche. Offensichtliches
Beispiel für eine solche Inkulturation ist das Fest "Josefs des
Arbeiters", das in der katholischen Liturgie der Neuzeit am 1. Mai
gefeiert wird. Die Parallele zum "Tag der Arbeit" ist unübersehbar.
Tatsächlich kann der Religionswissenschaftler Hugo
Rahner sogar den Kirchenvater Augustinus (354-430) als Kronzeugen
anführen. Aus einer Weihnachtspredigt lässt sich die Situation am
Weihnachtstag in Hippo ableiten - in dieser nordafrikanischen Stadt
wirkte Augustinus als Bischof. Rahner beschreibt die historische
Situation eindrucksvoll: "Selten kann man bei einem Zusammentreffen von
christlicher und heidnischer Einrichtung die bewusste Gegensätzlichkeit
so deutlich greifen wie in dem hier vorliegenden Fall des gemeinsamen
Festtermins von Geburtsfest Christi und natalis Solis invicti -
Augustin sitzt in Hippo auf seiner bischöflichen Kathedra bei der
Weihnachtshomilie. Draußen unruhiges Johlen und Rufen. Die Heiden
feiern Wintersonnenwende. Der Bischof greift das auf und erinnert seine
Gläubigen: Wir aber feiern die Geburt der Sonne der Gerechtigkeit." -
Dies scheint auf den ersten Blick eindeutig. Ein zweiter Blick aber
wirft Fragen auf. Wenige Tage nach dem Weihnachtsfest findet das Fest
der Kalenden des Januar statt. Von Augustinus ist eine Predigt dazu
erhalten, durch die sich wie ein Refrain ein Vers aus Psalm 106,47
zieht: "Hilf uns, Herr, unser Gott, und bring uns zusammen aus den
Heiden." In dieser Predigt fordert Augustinus seine Gläubigen auf,
genau das Gegenteil von dem zu tun, was nach den Erkenntnissen der
Inkulturation zu erwarten wäre: Sie mögen auf die frivolen Feiern der
Kalenden des Januar mit mit frommem Fasten antworten. Er fordert also
gerade nicht Inkulturation, sondern Abgrenzung von dem ausgelassenen
Treiben der Bevölkerung.
Auch kirchenrechtliche Quellen berichten von einem
vorgeschriebenen Fasten an diesem Tag. Ein Zeitgenosse des Augustinus
nimmt in einer Predigt, die ebenfalls anlässlich der Kalenden des
Januar gehalten wurde, die Argumente seiner Gläubigen auf. Diese sagen,
es handle sich bei dem frivolen Treiben zum Jahreswechsel ja nur um
unschuldige Scherze. Die Antwort des Kirchenmannes ist hart und
kompromisslos: "Nicht Scherze sind es, es sind Verbrechen!"
Aus systematischen Überlegungen muss man natürlich
fragen, warum die Kirchenväter Ende des vierten und Anfang des fünften
Jahrhunderts so stark und ablehnend auf die Feiern der Kalenden des
Januar reagieren, während gleichzeitig ein anderes heidnisches Fest zur
Bildung eines Parallelfestes führen soll. Sicherlich, das Fest "Josefs
des Arbeiters" zeigt, dass derartige Parallelbildungen tatsächlich
vorkamen. Die grundsätzliche Frage muss also lauten, ob das ein
allgemeines Prinzip des Umgangs mit außerchristlichen Festen war, oder
ob einzelne Jahrhunderte davon abweichen.
Allerdings scheint gerade das vierte Jahrhundert
prädestiniert für diese Form der Inkulturation zu sein. Mit der Wende
unter Konstantin wird innerhalb von rund 70 Jahren aus der verfolgten
Christenheit zuerst eine tolerierte Minderheit, die sich dann zur
privilegierten Religion des Römischen Reiches aufschwingt. Zahlreiche
Eintritte in die Kirche werden wohl weniger aus tiefer religiöser
Überzeugung, eher aufgrund gesellschaftlichen und politischen Drucks
erfolgt sein. Hat hier nicht doch die Kirche, um es modern zu
formulieren, "die Menschen dort abgeholt, wo sie sind"?
Die Antwort lautet nüchtern: Das hat sie nicht.
Vielmehr liegt ein Übersetzungsfehler der Deutung Hugo Rahners
zugrunde. Der Jubel der Heiden existiert nicht, vielmehr heißt es an
dieser Stelle: "Wir wollen fröhlich sein, Brüder; sich freuen und
jubeln mögen die Völker." Bei dem "Johlen der Heiden" handelt es sich
schlicht um ein Zitat aus Psalm 67. Dass dies falsch verstanden wurde,
zeigt wohl, wie sehr eine Hypothese, die so überzeugend wirkt wie die
von einem heidnischen Fest als Vorbild des Weihnachtsfestes, sogar
Lektüre und Deutung der Quellen beeinflussen kann.
In einer Predigt des Maximus von Turin, Zeitgenosse
des Augustinus, findet sich eine bezeichnende Aussage: Er lobt die
Vorsehung dafür, dass das Geburtsfest Jesu auf den 25. Dezember fällt.
Schließlich finden vorher die Feiern der Saturnalien statt, wenige Tage
später folgt das unwürdige Schauspiel der Kalenden des Januar. Doch zum
Zeitpunkt des Weihnachtsfestes findet keine parallele heidnische Feier
statt.
Der Irrweg der Forschung ist sicher teilweise durch die in vielen Weihnachtspredigten dieser Zeit zu findende Sonnensymbolik zu erklären. Christus wird, in Anspielung auf den alttestamentarischen Propheten Maleachi, Sonne der Gerechtigkeit genannt, von seinem Geburtsfest an schwinden die Schatten. Das und vermeintliches Wissen um Prinzipien der Inkulturation legten den Schluss nahe, dass das Geburtsfest Jesu auf ein heidnisches Parallelfest zurückgehen müsse. Eine kritische Lektüre der Texte nötigt zu einer anderen Bewertung: Gerade weil kein Sonnwendfest an diesem Tag existierte, war es möglich, die Sonnensymbolik für die Ermittlung des Geburtstages Jesu und der Feier derselben zu verwenden. Dr. Hans Förster ist derzeit als APART-Stipendiat
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Gastforscher in der
Papyrussammlung der Nationalbibliothek.
Herbert Brandl (*1959, Graz) studierte an der
Angewandten bei Tasquil und Weibel, wurde in den 80ern zu den "Neuen
Wilden" gezählt. Seit 2004 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf,
2007 Vertreter Österreichs bei der Biennale Venedig. Galerie in Wien:
Nächst St. Stephan.
Als "unbesiegter Sonnengott" wurde der römische Gott
Sol seit dem 2. Jh. n. Chr. verehrt. Kaiser Aurelian erhob ihn im
3. Jh. zum Schutzherrn des Reichs, Kaiser Konstantin sah sich anfangs
als sein irdischer Repräsentant. Der Kult hielt sich bis ins 5. Jh.
neben dem Christentum.
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