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13.02.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Mumok: Elementar spirituell
Das Mumok führte Max Weilers „Vier Wände“ wieder zusammen. Zumindest temporär. Zum ersten Mal seit langem ist dieses Schlüsselwerk des Tirolers nun in einem Sonderausstellungsraum des Quartier 21 vollständig zu sehen.

Vier Wände, vier Bilder, vier Landschaften. Nicht mehr, nicht weniger. 25 Laufmeter Leinwand, zugeschnitten auf jeweils über sechs Meter Länge, jede Bahn zweieinhalb Meter breit. Ergibt 15 m2 Fläche pro Bild, in Summe 60. Jedes einzelne eine Hommage an die Natur, fast ein stilles, inniges, langes Gebet. Wer sich für das imposante Ensemble des 2001 verstorbenen Malers interessierte, musste lange warten, es wieder zu Gesicht zu bekommen. Zu Lebzeiten Max Weilers waren sie als Ensemble einzig in der Akademie der bildenden Künste 1978 ausgestellt. 1984 wurden zwei von ihnen, praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, im Wiener Juridicum installiert.

Die anderen beiden wanderten ins Museum moderner Kunst. Mit der Wiederzusammenführung aller vier Bilder, zumindest für den Zeitraum von drei Monaten, erfüllt Edelbert Köb dem Künstler nun posthum einen lang gehegten Wunsch. Als Präsentationsraum bot sich eine der renovierten Hallen im Staatsratshof an. Jetzt fungiert der frühere „Kunstraum“, den ursprünglich Markus Brüderlin in seiner Funktion als Bundeskurator für bildende Kunst erschlossen hatte, als Museumsdependance. Von der Weitläufigkeit, wenn auch nicht vom länglichen Grundriss her, eine gute Möglichkeit. Im Grunde wäre ein quadratischer Raum ideal, verlangen die vier Bilder, die hier wie frei stehende Wände aus dem Boden wachsen, doch geradezu danach, als geschlossenes Viereck präsentiert zu werden und nicht in offener U-Form.

Spirituelle Wende. Max Weiler war mitten in seinen Sechzigern, als er sich an diese größte und komplexeste Arbeit seiner Laufbahn machte. Soeben hatte er sich von der kräftigen Malweise und dem satten Farbauftrag, der für seine Malerei von den späten Sechzigern bis 1973 kennzeichnend geworden war, abgewandt. „Rose von Jericho“, das große, bäuerlich bunte Deckenbild in der Pfarrkirche Mayrhofen aus dem Jahr 1971, die „Flügelbilder“ oder der immense Eiserne Vorhang im Tiroler Landestheater in Innsbruck (1967) sind – in jeder Hinsicht leuchtende – Beispiele dieser vorangegangenen Phase. Nun wendet er sich einer lasierenden, weniger direkten Malweise zu. Die Landschaft wird in neuer Auffassung zum zentralen Thema.

An die Stelle kräftiger, deckender Pinselschläge setzt er eine nervöse Pinselführung, jedes Fleck­chen der Leinwand wird abgetastet. Auch der weiße Malgrund wird zugelassen als Bildelement. Bisweilen arbeitet er mit Blei- und Farbstift kleinste Oberflächenstrukturen heraus. Hauptfarbmaterial ist ihm aber die selbst angerührte Eitempera. Diese organische Farbe ist der Stoff, aus dem er wie ein Demiurg die Landschaft dieser Bilder formt: „Was ich jetzt mache, ist aus Eitemperafarbe geboren, aus den Lachen auf der liegenden Leinwand, aus dem Spritzen, Tropfen, aus dem Rinnenden, Verrinnenden, aus dem Gestockten, den Formen des Erstarrens eintrocknender Farbe. Das sind die Mittel, die die Natur darbietet, und die setze ich ein, diese sind das Vokabular, mit dem ich rede, die Formen, aus denen ich Bilder mache, mit denen ich meine Vorstellung realisiere“, notiert er damals in eines seiner „Tag- und Nachthefte“.

Dabei realisiert er in jedem der Bilder ein eigenes Thema. „Ganz rechts lebendige Natur“, die erste Arbeit aus dem Jahr 1973, weist dabei noch minimalen Gegenstandsbezug auf: Drei Viertel der Leinwand erscheinen ganz licht, luzide, durchlässig, am äußeren Rand aber schoppen und ballen sich grüne, gelbe, olivfarbene Farbmassen. „Natur mit Caput Mortuum“, im darauf folgenden Jahr entstanden, lässt mit seinem sich aufbäumenden Zentrum Erdbewegung assoziieren. Viel luftiger dann die anderen beiden Bilder: „Über der Baumgrenze“ (1976) lässt die Landschaft buchstäblich hinter sich. Die heitere, pastellfarbige „Himmelslandschaft“ (1977) schließt den Werkblock dann wie eine zarte, ätherische Meditation ab.

Noch einmal die „Tag- und Nachthefte“: „Wenn ich in der Natur stehe, so überkommt mich eine ungemeine Erhebung. Ich schaue, sehe und verschiedenste Tages- und Jahreszeiten, verschiedenste Gegenden ergreifen mich. Ein Gefühl der Vereinigung mit der Natur erfasst mich. Ich bin einbezogen in ihr webendes Sein. Eine große Ruhe strömt aus dem weiten, erfüllten Raum, die vollkommenste Zufriedenheit – Freude des Aufgehens in einem ungeheuren, erhabenen Geschaffenen. Ungeheurer Respekt vor einer solchen Schöpferkraft. Grenzenlose Verehrung.“ Mit den „Vier Wänden“ malte Weiler, was er empfand.

 

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