Linz hat ein neues Orchester

Orchester gibt es viele, trotzdem ist die Linzer Philharmonie einzigartig. Ein unmöglichen Orchester auf dem Weg zum Kultstatus.


Neuer Dom, September 2001. Die Linzer Philharmonie gibt sich die Ehre. Auf dem Programm steht Mozarts Requiem. Festlich gekleidet, in Erwartung eines vollendeten Konzertgenusses, betreten die ersten Besucher den weihevollen Ort. Immerhin präsentiert sich heute ein für viele noch unbekanntes Linzer Orchester. Neben dem Bruckner Orchester hat die Landeshauptstatt nun also schon zwei klassische Klangkörper.


"Wir Linzer können wieder einmal stolz sein", hört man die Besucher sagen. Oder: "Wie viele bekannte Orchester hat eigentlich Wien" "Na ja, zwei, vielleicht, drei. Jedenfalls nicht sehr viel mehr, als wir.". "Ruhe bitte, der Dirigent!" Neugierig recken sich die Klassikfreunde nach einer hageren Gestalt mit Glatze. Würdevoll, im Frack betritt Hannes Langeder seinen Arbeitsplatz. Leise raunt man sich zu, "Ahhhh, das ist der Langeder". "Was, sie kennen ihn nicht - also bitte?"

Panik im Dom

Dann der erste Einsatz. Infernalisches Quietschen, jämmerliches Dröhnen, apokalyptisches Gurgeln. Irritation im Publikum.

"Stimmen die noch die Instrumente?" - "Jo derfen's denn des?" - "Was ist los?" - "Skandal!" "Hilfe, Mozartschändung!" Fluchtartig verlassen die ersten Konzertenthusiasten die Veranstaltung. Dessen ungeachtet geht das Dilettieren im Dom unaufhaltsam weiter. Sein Ende findet es schließlich in einem Mark durchdringenden Finale. Wer von den Besuchern, jetzt noch übrig ist, steht entweder in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einer, oder einem der mehr als 60 Akteure oder, hat ein großes Herz für öffentliches Scheitern.

"Zeit im Bild"-Auftritt

Zeitsprung. Februar 2003, Zeit im Bild 3, Hauptbeitrag Kultur. Die Linzer Philharmonie gibt sich wiedereinmal die Ehre. Diesmal im Wiener Kulturtempel MAK, als Gaststar tritt Elke Krystufek auf. Der Applaus am Ende der Veranstaltung ist mindestens genauso ohrenbetäubend wie die Musik. Die Veranstaltung war ein riesiger Erfolg.


Selektive Auswahl

Qualitativ hat sich zwischen dem Konzert im Linzer Dom und dem Wiener Auftritt nicht wirklich viel verändert. Noch immer malträtieren 60 Personen ihre Instrumente, oder, wahlweise, ihre Stimmbänder. Warum das musikalische Niveau des Orchesters nicht besser werden kann, liegt an den durchaus selektiven Auswahlkriterien: "Entweder man spielt kein Instrument, oder man spielt ein anderes Instrument, als das, dass man gelernt hat", sagt der Orchestergründer und Linzer Kunstuniversitätsstudent Hannes Langeder.

Ernster Hintergrund

Obwohl die Auftritte des Orchesters einen ironisch, performativen Charakter haben, ist die Philosophie hinter dem Scheitern eine durchaus Ernste. Gegründet wurde das Orchester, im Februar 2000, als Antithese zum gesellschaftlichen Mainstream. Hannes Langeder:
"In einer Zeit, in der alle funktionieren müssen, in der alle jung, erfolgreich und dynamisch sein müssen. in einer Zeit, in der nur noch das Recht des Stärkeren zählt, in der das Schwache, Nicht-Perfekte, verpönt ist, leisten wir uns den Luxus des Imperfekten. Auf ironische Weise wollen wir das Scheitern als Lösung anbieten. Was eignet sich da besser als der Inbegriff des Perfekten? Ein Orchester, nur eben, dass es bei uns, immer falsch spielt."



Donauwalzer

Link:

Radio &sterreich 1