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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
27.05.2004
18:33 MEZ
Von
Markus Mittringer

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kunsthallewien.at
 
Foto: Kunsthalle
Ausschnitt aus Yinka Shonibares Diary of a Victorian Dandy (1998, Collection of Eileen and Peter Norton, Santa Monica)

Wachsdruck im Weltraum
Vergnügliche Reise durch die Tücken, kulturelle Identität zu bestimmen: Yinka Shonibare in der Kunsthalle Wien

Die Kunsthalle Wien zeigt Yinka Shonibares Gruppenbilder mit niederländischem Tuch und die denkwürdigen Erlebnisse eines viktorianischen Dandys auf "Grand Tour". Eine vergnügliche Reise durch die Tücken, kulturelle Identität zweifelsfrei zu bestimmen.


Wien - Das typisch afrikanische Wachsdrucktuch wird in den Niederlanden gefertigt. Bunt, wie es ist, und so voll von lustigen Motiven, erkennen wir es sofort als afrikanisch. Und Dandys sind bleich. Schon allein wegen des fragwürdigen Lebenswandels, des fortwährenden Ausschweifens, der Folgesorgen des Hochstapelns, der Anstrengungen des Kostümzwangs und des Stresses, zwischendurch noch ein Gedicht schreiben zu müssen.

Yinka Shonibare ist ein typisch afrikanischer Künstler: Er wurde in London geboren. Immerhin verbrachte er einige Jugendjahre in Lagos. Jetzt lebt er wieder in London. Er sieht sich als "post-colonial hybrid".

Spätestens seit der vergangenen Kasseler documenta kennt man ihn als einen der ersten der Weltkünstler. Und so stellt er jetzt auch in Wien aus. Die Kunsthalle zeigt im Museumsquartier die wichtigsten seiner beredten Installationen und Fotoserien.

Zum Beispiel: Gallantry and Criminal Conversation (Ehebruch). Eine Gruppe kopfloser, elegant gekleideter Menschen vergnügt sich da ganz ungeniert zwischen verstreuten Stücken schweren Reisegepäcks. Über der Szene schwebt eine Kutsche, das Vehikel, in dem der betuchte viktorianische Zögling zwischen 15 und 25 auf Grand Tour ins Ausland geschickt wurde. Erklärte Reiseziele waren das Erlangen und sofortige Vertiefen wesentlicher Kulturtechniken: des Vögelns und der Diplomatie.

Selbstredend, dass derart aufwändige Traineeprogramme (Kulturaustausch) der weißen Oberschicht vorbehalten waren. Die Lektion in Sozialgeschichte stören bloß die Stoffe, die, untadelig nach europäischer Fasson verarbeitet, doch eindeutig auf Afrikaner schließen lassen, auf durchgebrannte Sklaven beim fröhlichen Gang-Bang. Oder ist es doch bloß wieder eine der Launen der Kolonialherren, sich original afrikanisch zu kleiden? Oder kopulieren die nach Art geschlachteter Hühner einfach weiter, obwohl die Tour den ausgelassenen Adel irrtümlich mitten durch die Guillotinen der Französischen Revolution geführt hat?

Und: Wenn der Dandy am späten Morgen aufwacht, ist es doch nur selbstverständlich, dass Rudel dienstbereiter Maiden sich um ihn kümmern. Was für diese durchaus heißen kann, den Rock zu lüften. Allein, die Szene stimmt nicht ganz, der Lauf der Welt ist umgedreht, der Herr ist rabenschwarz, die Zugehfrauen sind allesamt von tadellosem weißem Schimmer. Der Herr heißt Yinka Shonibare und bewegt sich gut und sicher auf viktorianisch glattem Parkett. Und wieso bitte sollen Raumanzüge nicht auch, aus niederländischem Tuch gefertigt, von der Eroberung des Alls durch schwarze Männer künden? Oder Fuchsjagdgesellschaften mit ihren Schweißhunden unweidmännisch bunt durch Englands Wälder ziehen? Und zuletzt: "Bintu" bezeichnet in Nigeria einen Schwarzen, der Idiom und Stil der englischen Herren imitiert: "Been to England." (DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2004)


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