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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
04.12.2003
15:29 MEZ
Von
Michael Heinzel

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kunsthaus-bregenz.at

Bis 11. 1. 2004

 
Foto: Kunsthaus Bregenz Marja-Leena Hukkanen © Crystal Eye Ltd, Helsinki, Courtesy: Klemens Gasser & Tanja Grunert Inc., New York
Eija-Liisa Ahtila The House, 2002 Videostill

Gebaute Erinnerungskatalysatoren
"Remind ..." - Das Kunsthaus Bregenz wurde mit hohem Aufwand wurde zu einem Kunstfilm-Multiplexkino

Erstmals unter Direktor Eckhard Schneider ist im Kunsthaus Bregenz eine Themenausstellung zu sehen. In vier Filminstallationen wird unter dem Titel "Remind ..." eine Erinnerung beschworen, die sich an und durch Architektur verfestigt. Mit hohem Aufwand wurde das KUB in ein Kunstfilm-Multiplexkino verwandelt.


Bregenz – Kaum eine Kunstform hat sich in den vergangenen Jahren grundlegender verändert als die Videokunst. Für die Pioniere stand das Experiment mit den Möglichkeiten einer neuen Technik im Vordergrund. Doch die heutige Generation von Video- bzw. Filmkünstlern legt strengere formale Maßstäbe an ihre Werke.

Man achtet vermehrt auf Dramaturgie, die Arbeiten sind bis ins Detail durchkonzeptualisiert. Auch geht der Trend weg von der klassischen Guckkasten-Situation: hier Bildschirm/Leinwand – dort Zuschauer. Die Grenzen zwischen dem imaginären und dem realen Raum verwischen sich.

Doch um diese Wirkung zu erzielen, muss der reale Raum, der Ort der Vorführung, so gut wie möglich an den imaginären angepasst werden. Die Geschwister Jane und Louise Wilson zeigen auf 13 Leinwänden A Free and Anonymous Monument, das sie kürzlich für das Baltic Centre in Gateshead (GB) realisiert haben.

Zu sehen sind weitgehend menschenleere Industriebauten, die mit Aufnahmen von einem Ausstellungspavillon aus den 50er-Jahren (Victor Pasmore) kontrastiert werden, der Kindern heute als Spielplatz dient. Die Hängung der Projektionsflächen wurde der offenen Architektur dieses kubischen Betonmonuments nachempfunden.

Von allen Seiten her dringen die synchronisierten Bilder auf den Betrachter ein. In zwölf Minuten erzählen die Geschwister Wilsons einerseits die Geschichte des Strukturwandels einer Region, andererseits setzen sie sich mit dem Verhältnis von Form und Funktion in der modernen Architektur auseinander.

Wie feinfühlig die Ausstellungsmacher die einzelnen Arbeiten inszeniert haben, zeigt sich besonders an Boots (2003), einer Installation der Britin Tacita Dean. In drei 16-mm-Filmen erzählt sie parallel auf Deutsch, Französisch und Englisch die Geschichte eines gehbehinderten alten Mannes.

Architektur und Alter

Schauplatz ist eine leer geräumte Art-déco-Villa in Portugal. Hier dient Architektur sozusagen als Auslöserin und Trägerin von Erinnerungen. Da jeder Film unterschiedliche, aber durchaus gleichwertige Perspektiven der Erinnerung (und der Architektur) bietet, werden sie in drei voneinander getrennten Räumen gezeigt, die sternförmig von einem Korridor abgehen.

Eine dramaturgische Meisterleistung bietet Eija-Liisa Ahtila mit ihrer DVD-Installation The House. Diese Arbeit der finnischen Künstlerin war erstmals bei Okwui Enwezors documenta XI 2002 in Kassel zu sehen. In 14 Minuten sieht man auf drei Leinwänden eine junge Frau in einem abgeschiedenen Haus verrückt werden.

Die Geschichte einer Paranoia, bei der Autos von alleine fahren, Menschen fliegen können oder Fernsehexistenzen sich plötzlich real durchs Wohnzimmer bewegen. "Alles ist drinnen und draußen, alles geschieht gleichzeitig", heißt es im Film.

Der Wahnsinn findet seinen Höhepunkt und sein Ende, als die Frau alle Fenster des Hauses verdunkelt. Die Wirklichkeit zerbricht vollends mit dem Verschwinden des Hauses, mit der Auflösung der Architektur.

Im Untergeschoß des KUB wird Arena gezeigt, die bekannte Arbeit des jungen albanischen Künstlers Anri Sala aus dem Jahr 2001. Hier fungiert die Architektur des aufgelassenen Tiergartens in Tirana als Erinnerungskatalysator für die Zeit der albanischen Diktatur und der darauf folgenden Anarchie.

Die Ausstellung bietet einen Blick in die Zukunft des Kunstfilms. Die Präsentation und die Konzeption der Filme bedingen einander. Ohne die technische Perfektion der Darstellung könnte die Kunst nie die Wirkung erzeugen, wie sie im Kunsthaus Bregenz ohne Zweifel spürbar ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2003)


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