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Kunstberichte
Drei sehr spezielle Ausstellungen können derzeit als Umriss des Phänomens Bruno Kreisky gelten

Erinnerungen, die nicht verblassen

Porträt 
von Bruno Kreisky im Mallorca im Mai 1989, kurz vor seinem Tod. Foto: 
Konrad Rufus Müller

Porträt von Bruno Kreisky im Mallorca im Mai 1989, kurz vor seinem Tod. Foto: Konrad Rufus Müller

Von Bernhard Baumgartner

Aufzählung Ausstellungsreigen zum 100. Geburtstag von Bruno Kreisky.
Aufzählung MAK mit Foto-Ikonen, Archiv mit Dokumenten, Krems mit Karikaturen.
Aufzählung Sehnsucht nach einem Politiker dieses Typs.

Wien. Da stand er dann, der große Bruno Kreisky, genannt "der Sonnenkönig", am Ausstieg der Maschine, die soeben am Flughafen in Belgrad zum Staatsbesuch gelandet war. Er starrte ungläubig auf die Holzkiste unter ihm.

Diese hatte man ihm hingestellt, damit er aussteigen konnte. Denn die reguläre Gangway war zu groß, eine hastig herbeigeschaffte Aluleiter passte nicht und etwas anderes als die schnöde Holzkiste hatten die jugoslawischen Flughafen-Bediensteten gerade nicht zur Hand – und man war in der Mangelwirtschaft schließlich gewohnt, pragmatisch zu agieren. Genau diesen peinlichen Moment, als Kreisky ungläubig auf die unter ihm stehende Kiste starrte, hielt sein Fotograf Konrad Rufus Müller fest: Szenen hinter den Kulissen eines Staatsbesuchs.

Bilder wie jenes kann man derzeit im Museum für angewandte Kunst (MAK) sehen. Das Haus lädt seit Samstag aus Anlass des hundertsten Geburtstag des ewigen Kanzlers zu einer Sonderausstellung, die ausschließlich den Bildern von Müller gewidmet ist, die er in den Jahren 1980 bis 1989 von Bruno Kreisky fertigte. Es ist eine von drei Ausstellungen, die derzeit Bruno Kreisky gewidmet ist. Im Karikaturmuseum Krems zeigt man Kreisky-Karikaturen von "Ironimus", im Staatsarchiv Bilder und offizielle Dokumente aus der Amtszeit Kreiskys.

Annäherung schwierig

Die Annäherung an das Phänomen Bruno Kreisky im Rahmen einer Ausstellung ist auch mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tod schwierig. Die Rezeption der Ausstellungen ist wohl auch davon abhängig, auf welcher persönlichen Flughöhe man sich Kreisky annähern möchte. Im MAK hat man sich die Frage nach einem reflektierten Ansatz gar nicht erst gestellt. Die Bilder Müllers geben das nicht her. Denn Müller war so etwas wie Kreiskys Leibfotograf: Er begleitete den Kanzler in den verschiedensten Situationen, ob im Büro, auf Staatsbesuch, zu Hause, im Urlaub auf Mallorca oder auch im Krankenhaus.

Natürlich sind die Bilder Müllers, der auch Kreiskys Freund Willy Brandt begleitete, keine Schnappschüsse, sondern liebevoll eingerichtete, minutiös komponierte Tableaux. Fotografische Kunst auf hohem Niveau. Seine großformatig in wuchtigen Alurahmen präsentierten Fotos vermitteln mehr den Anschein von Ikonen – sie sind naturgemäß ohne jede Distanz. Kreisky, der Superstar, ganz nahe, inszeniert in Schwarz-Weiß auf Mittelformat. Neutralität? Kritik? Da muss man sich jemand anderen suchen.

Das ist aber auch nicht nötig, denn man weiß vorher, was man bekommt. Dennoch sind Müllers Fotos einzigartig. Etwa jenes kurz vor Kreiskys Tod unter einem alten Olivenbaum auf Mallorca. Ein von Alter und von Krankheit gezeichneter Mann mit Stock auf einem Stuhl unter einem von Alter gezeichneten Baum. Wohl kaum ein Bild wird uns von Kreisky so stark in Erinnerung bleiben.

Der offizielle Kreisky

Im Staatsarchiv hat man fast naturgemäß einen etwas anderen Ansatz gewählt, obwohl die – wie im MAK – auf einen Raum konzentrierte Schau auch von bisher nicht veröffentlichten großformatigen Bildern getragen wird. Hier steht der offizielle Bruno Kreisky im Vordergrund. Zu sehen sind historische Dokumente im Original, etwa das "Moskauer Memorandum" vom 15. April 1955, das die Grundzüge des Staatsvertrages regelt und Österreich zur immerwährenden Neutralität verpflichtet. Neben jener von Kanzler Julius Raab, Vizekanzler Adolf Schärf und Außenminister Leopold Figl trug es auch die Paraphe des jungen Staatssekretärs Bruno Kreisky. Auch das Konkordat mit dem Vatikan ist zu sehen und ein Dokument zu den Salt-II-Abrüstungsverhandlungen.

Ausgestellt hat man auch Kreiskys Dienstausweis als Außenminister sowie mehrere offizielle Fotoalben, wie sie bei Staatsbesuchen üblich sind. Zu sehen sind auch Fotos, die politisch von Bedeutung sind. Etwa ein Handschlag mit Otto Habsburg aus 1977 oder einer mit Kardinal Franz König aus 1970. Mit ihm sorgte Kreisky für eine Entkrampfung des schwierigen Verhältnisses vieler in der SPÖ mit der katholischen Kirche. Auch private Fotos aus der Zeit seines Exils in Schweden während der Nazi-Zeit sind interessant. Zu sehen ist auch jenes Dokument, mit dem Schweden Kreisky bei seiner Rückkehr ermächtigte, die Hilfe Schwedens für die notleidende österreichische Bevölkerung zu organisieren.

"Der wahre Kreisky"

Den "wahren Kreisky" will das Karikaturmuseum Krems zeigen, wobei der Titel mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist. Schließlich hat man 54 Karikaturen ausgestellt, die Gustav Peichl als "Ironimus" in der "Presse" veröffentlichte. Einiges ist dabei aus der zeitlichen Distanz kaum noch zu verstehen, etliches lässt den Zuschauer jedoch schmunzeln. Wobei sogar bei Peichl, dessen Blatt zumindest damals ja nicht unbedingt im Verdacht stand, eine Kreisky-Postille zu sein, immer auch Respekt für den Kanzler durchscheinen lässt.

Was sich durch alle drei Ausstellungen zieht, ist, dass eine umfassende Betrachtung des Phänomens Kreiskys unterbleibt. Alle drei bieten Einblicke, ein Überblick bleibt verwehrt. Wieso es zu Kreiskys hundertstem Geburtstag zu einer wahren Flut an Veranstaltungen kommt, zu runden Feiertagen anderer Politiker aber nicht? Es ist wohl auch eine Spätfolge des Medienphänomens Kreisky, das eine Popularität jenseits der Tagespolitik generierte.

Vielleicht stimmt es aber auch, was der ehemalige ORF-General Gerd Bacher bei der Eröffnung der "Ironimus"-Ausstellung sagte. Er ortete im intellektuellen Österreich eine "enorme Sehnsucht nach einer Politikerperson wie Bruno Kreisky".

* MAK:

Bruno. Bruno Kreisky porträtiert von Konrad Rufus Müller. Bis 19. Juli 2011, täglich außer Montag. *

Österreichisches Staatsarchiv: Kreisky im Bild, bis 25. März 2011, Mo. bis Do. 9-16 Uhr, Fr 9-15 Uhr.

Karikaturmuseum Krems:

Der wahre Kreisky. Karikaturen von Ironimus, bis 18. September 2011, täglich 10–17 Uhr.

 

Printausgabe vom Samstag, 22. Jänner 2011
Update: Montag, 24. Jänner 2011 11:27:00

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