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vom 23.08.2007 - Seite 020
Flinke Bild-Artistik für stramme Augen-Turner

Was sehen wir, wenn ein Artist mit bunten Bällen und Feuerkeulen jongliert? Ein kurzes Aufblitzen von Effekten, denen sofort andere folgen. Genau so lässt sich das Werk des belgischen Künstlers Jan Fabre erleben. In Salzburg ist er heuer zweifach präsent.

VON IRENE GUNNESCH

Grenzgänger. Was für ein bequemes Wort, wenn sich künstlerische Werke nicht leicht erklären lassen. Oft als "Grenzgänger" tituliert wird auch der belgische Künstler Jan Fabre (49). Und zwar deswegen, weil er sich nicht damit begnügt, auf einem einzigen Gebiet tätig zu sein. Wobei sich bei der Verwendung so einer Charakterisierung immer auch die Frage stellt, was es denn eigentlich ist, das die Grenzen von Kunst definiert.

Heuer zweimal Fabre

Aber zurück von diesem Ausflug in die end- und somit ohnehin grenzenlose Kunstdiskussion zu Jan Fabre. Der in Antwerpen lebende Künstler ist bei den Festspielen zweifach vertreten. Erstens mit "Die verliehene Zeit", einer retrospektiven Ausstellung im Salzburger Rupertinum. Ihr Spektrum reicht bis zu den Vorarbeiten für sein "Requiem für eine Metamorphose". Diese "theatralische Totenmesse mit Schauspielern, Tänzern und Musikern" ist heuer Fabres zweites Salzburg-Projekt. Premiere ist am Sonntag (26. August, Felsenreitschule).

Als Einstimmung sind im Rupertinum nun an die 150 Arbeiten Fabres zu sehen. Drastisch-herbe, an den frühen österreichischen Aktionismus eines Günter Brus erinnernde "Pinkel"-Zeichnungen und Aufführungen ebenso wie Modelle für Bühnenbilder unter anderem aus seiner faszinierenden "Blauen Stunde".

Jan Fabre erweist sich darin als virtuoser Jongleur unterschiedlicher Techniken, Materialien, Strukturen, Bewegungsmuster und -reaktionen. Er kombiniert in seinen oft brutal direkten Auseinandersetzungen mit dem Kreislauf des Lebens und Sterbens allzu Menschliches mit allzu Tierischem, Assoziatives mit Konkretem. Basis sind ihm vieldeutige mythologische Symbole und Themenkreise.

Das braucht mehr

In dieser Ausstellung werden auch Bilder gezeigt, die berühmte Meisterfotografen wie Helmut Newton oder Robert Mapplethorpe von Fabres vielen Bühnenwerken gemacht haben.

Formal (und somit rein optisch) sind diese Arbeiten des Biennale-Venedig (1997)- und documenta (1992)-Teilnehmers ja durchaus schnell zu erfassen. Inhaltlich benötigen sie mehr als die simple Besichtigung so einer Ausstellung. Aber jene im Rupertinum, und das ist wohl ihr großes Plus, wird sicher einige zur tieferen Auseinandersetzung mit Jan Fabres Werk animieren.

BIOGRAPHIE

Jan Fabre

1958 als Enkel des berühmten Insektenforschers Jean-Henri Fabre in Antwerpen geboren. Schon während des Studiums an der Königlichen Kunstakademie experimentelle Solostücke, Ende der 70er-Jahre Konzept "Blaue Stunde" (alles blau überzogen), mehr als 30 Tanz-, Theater-, Opernprojekte als Regisseur und Ausstatter.

Info: bis 28. 10.; Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr (bis 27. 8. auch Mo 10-18 Uhr). Mi, 18.30 Uhr, kostenlose Führung (www.museumdermoderne.at)

Jan Fabres Doppeldeutigkeiten: "Je suis sang", 2003 bei den Wiener Festwochen Foto: apa


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