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Kunstberichte

In der Zeit der großen Namen

Konkurrenzdruck in Wiener Museumslandschaft verschärft sich – Regierung lobt gelungene Ausgliederung
Setzt sie in Wien ab nächstem Jahr auf „Mega-Hypes“? Agnes Husslein, designierte Leiterin der Österreichischen Galerie Belvedere.  Foto: apa/Neumayr

Setzt sie in Wien ab nächstem Jahr auf „Mega-Hypes“? Agnes Husslein, designierte Leiterin der Österreichischen Galerie Belvedere. Foto: apa/Neumayr

Von von Christoph Irrgeher

Aufzählung Bundesmuseen wirtschaftlich immer stärker unter Druck.
Aufzählung Kritiker: Häuser verlieren zunehmend klares Profil.

Wien. Peter Noever ist verärgert. "Alles dreht sich nur noch um Termini, die aus der Wirtschaft stammen", entrüstet sich der Direktor des Österreichischen Museums für angewandte Kunst. Der Grund der Empörung ist nicht etwa die letzten Jahresbilanz. Die Museumslandschaft ist es, die ihm Kopfzerbrechen bereitet. "Es geht immer mehr um die Sensation, die Museumsarbeit tritt in den Hintergund. Den Direktoren wird mehr Bedeutung und Öffentlichkeit gegeben als den Künstlern!" Aber man befinde sich in Zeiten knapper Budgets – und da mache sich mancher zum "Erfüllungsgehilfen der Industrie und Privatsammler".

Seit 2000 ist die sogenannte Basisabgeltung nun eingefroren, mit der der staatliche Museenverband subventioniert wird – wogegen sich nicht nur im MAK Kritik regt. Selbst Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, wollte vergangenen Herbst nicht mehr an sich halten: "Wir haben so wie alle Museeen Budgetprobleme", klagte der Kunst-Prinzipal über jene rund 20,2 Millionen Euro, die ihm der Bund zur Verfügung stellt. "Es heißt sparen, sparen, sparen", beschreibt da Gabriele Zuna-Kratky, Leiterin des Technischen Museums, ihr Credo. Und kann der Ausgliederung der Häuser, seit 1999 tranchenweise erfolgt, doch einiges abgewinnen: Schließlich hatte sie auch ihrem Haus mehr Autonomie und Flexibilität gebracht.

"Jeder macht alles"

Dennoch: Gerade diese Freiheit, meinen Kritiker, leistet einem Einheitsbrei Vorschub. Die Differenzen zwischen den Häusern blieben zunehmend auf der Strecke – "Hauptsache, die Zahlen stimmen", bringt es Noever zynisch auf den Punkt. Eine Ansicht, die auch sein Kollege in der Österreichischen Galerie Belvedere teilt. "Jeder macht alles", erklärt Gerbert Frodl, den Nachfolgerin Agnes Husslein Anfang 2007 beerben wird. "Die Notwendigkeit, unbedingt Publikum hereinzuschaffen, verlangt nach Attraktivität um jeden Preis", meint er. So werke die Albertina schon praktisch "auf jedem Gebiet", wäre das MAK zu einem zweiten Museum moderner Kunst avanciert. "Eine klare Position ist nicht mehr da", sagt Frodl. Was nicht sein müsste, wenn der Staat endlich die "überlebenswichtige" Subventionssteigerung vornehme. Wie viel sich mit Sponsorengeldern erreichen ließe, die Husslein in Zukunft verstärkt ködern möchte? Da sei seine Nachfolgerin "sicher tüchtig". Die Grundprobleme könnten diese Beträge jedoch nicht lösen. Dass Husslein den Trend zur Großausstellung verstärken werde, davon ist der Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl überzeugt. Gewiss werde es im Belvedere mehr "Megahypes" geben – was Zinggl jedoch nicht der Managerin, sondern dem System anlaste: Im Zank um Zuschauerzahlen würden Kleinausstellungen allmählich untergehen. War die Ausgliederung schlecht? Nein, aber schlampig gemacht.

Ausgewogener sieht das seine VP-Kollegin Andrea Wolfmayr: "Es ist eine Zeit der großen Namen". Die würden das Publikum mobilisieren – wenn auch einige Probeleme schaffen.

Dienstag, 21. März 2006


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