Professionell, aber nicht kommerziell

Das Amsterdamer Musiklabel "Staalplaat" geht seit fast zwei Jahrzehnten recht seltsame Wege in der Musik- und Audioverbreitung.


1982: Das Umfeld, in dem das Amsterdamer Plattenlabel Staalplaat gegründet wurde, war alles andere als geordnet. So machte sich in Hollands Hauptstadt die Hausbesetzerszene kräftig bemerkbar und brachte eine Vielzahl kultureller Aktivitäten hervor. Musik wurde zum Ausdruck solidarischer Anteilnahme. Zugleich entstanden viele Aufnahmen, die sich mangels professioneller Produktionsmittel auf sorglos editierten Kassetten tummelten. Diesem Umstand wollte Staalplaat ein wenig Ordnung entgegensetzen. Dabei ging es nicht nur um Unterstützung bei der Produktion von eigenwilligen Kompositionen, sondern auch um Hilfe bei der Vermarktung und Distribution bis hin zur Organisation von Konzerten.

Konzert von sechs Nadel-Druckern

Staalplaat sieht sich nicht als Musiklabel im klassischen Sinne, sondern als "Organisation, die sich mit Audio beschäftigt", wie Geort Jan Hobijn, Staalplaat-Mann der ersten Stunde, das Label definiert. Will heißen: Staalplaat interessiert sich für alle Formen kreativer, akustischer Experimente, von kunstvoll inszenierten Klangteppichen bis hin zum authentischen Ton des Erwachens einer marokkanischen Stadt. Erst kürzlich hat Staalplaat ein "Konzert" von sechs Nadel-Druckern der kanadischen Formation "[The User]" auf CD gepresst:



10.000 Titel

Insgesamt hat Staalplaat bis heute mehr als 200 Schallplatten und CDs produziert, darunter Aufnahmen von Rapoon, Jim O'Rourke oder den Legendary Pink Dots. Rund 10.000 Titel experimenteller Musik werden im eigenen Staalplaat-Shop in Amsterdam zum Verkauf angeboten.

No Copyright

Eines der wichtigsten Prinzipien von Staalplaat ist der weitgehende Verzicht auf das Copyright. Dahinter steckt die Grundphilosophie, so Geort Jan Hobijn, dass Kultur vor allem auch dadurch entstehe, dass bereits Vorhandenes wieder verarbeitet und in neue Kontexte gestellt wird. "Wenn man etwas zu 100 Prozent von der Wiederverwertung abschirmt, dann kann sich eine Kultur nicht entwickeln oder weiterentwickeln."

Professionell, aber nicht kommerziell

Staalplaat möchte "professionell, aber nicht kommerziell" (Hobijn) agieren und dabei vor allem akustische Experimente unterstützen, die sonst nirgends verwirklicht werden können. Dennoch konnte sich Staalplaat mit seinen Produkten von Anfang an selbst finanzieren und auch Künstler abseits des Mainstreams nach dem Prinzip geteilter Risiken bezahlen.

Zweigstelle in Berlin

Verkaufte sich eine Platte gut, war es für Künstler wie für Staalplaat gut, wenn nicht, hatten eben beide Pech. Freilich: reich wird damit niemand. Dennoch hat Staalplaat 1996 sogar eine Zweigstelle in Berlin errichtet, die vor allem als Audio-Galerie dient und sich auf die Veranstaltung von Experimental-Festivals, Installationen und Workshops konzentriert.

Warum gerade Berlin? Dort sei das kreative Potenzial für fortgeschrittene Audioexperimente gegenwärtig am größten. Derzeit hat Staalplaat insgesamt sechs fixe und viele freie Mitarbeiter. Expansion per se gehört aber nicht zur Firmenphilosophie.

Pistolenkugeln zur CD

Staalplaat geht nicht nur in der Findung innovativer Musikstile und akustischer Ausdrucksmöglichkeiten eigene Wege, sondern auch bei der Gestaltung von CDs, die so zum Gesamtkunstwerk werden. Der Vielfalt von Verpackungen - von Leder über Holz bis zu 3-D-Verpackungen - sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Eines der originellsten Exemplare war eine CD der Gruppe "Illusions of Saftey", der man Pistolenkugeln beilegte. Das einzige Problem dabei war, wie sollte man 500 Stück Munition auftreiben, die in Holland offiziell verboten ist.

Wer sich die schönsten CD-Expemplare von Staalplaat ansehen möchte, hat im Rahmen der Ausstellung sounds&files vom 10. März bis zum 16.April im Wiener Künstlerhaus-Kino Gelegenheit dazu.

Link: Staalplaat

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